Bei manchen Bücher ärgert man sich nach dem Kaufen und Lesen über das rausgeschmissene Geld und die vergeudete Zeit. Der US-amerikanische Ex-Diplomat Pedro Sanjuan hat so ein Buch geschrieben, und der Verlag zu Klampen hat es auf Deutsch gedruckt. "Die UN-Gang" verspricht Brisantes über Korruption, Antisemitismus, Inkompetenz, islamischen Extremismus und andere Übel im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York. Doch die 207 Seiten enttäuschen.
Der Leser und die Leserin finden wenig Fundiertes und Belegtes, statt dessen viele Verallgemeinerungen und persönliche Attacken auf UN-Mitarbeiter. Die Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs seien einerseits "ausgewiesene Waschlappen", andererseits Anhänger eines "unverhüllten Antisemitismus". Eine Büromitarbeiterin poliere sich ständig die Fingernägel und mache lange Mittagspausen. Bei UN-Untergeneralsekretär Brian Urquhart entdeckte Sanjuan eine "britische Arroganz", die dieser "dadurch bekundete, dass er ständig zu Boden sah". Und überhaupt gebe es "keine Möglichkeit, der bei den Vereinten Nationen herrschenden Unfähigkeit zu entgehen".
Sanjuans diplomatische, politische und journalistische Karriere erstreckt sich nach Angaben seiner Website (www.pedrosanjuan.com) von Beratertätigkeit für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Robert Kennedy bis hin zum Engagement für Ronald Reagan und den unabhängigen konservativen Kandidaten Ross Perot. Der Autor sei einer der "wichtigsten Zeitzeugen für die Entwicklung der Vereinten Nationen von den 80er-Jahren bis heute", behauptet der Klappentext des Buches.
Die in seiner "UN-Gang" beschriebenen "Erfahrungen" entspringen angeblich Sanjuans zehn Jahren im Sekretariat der Weltorganisation. Der damalige Präsident George Bush hatte Sanjuan 1983 als Direktor für Politische Angelegenheiten ins Büro des UN-Generalsekretärs geschickt. Dort will Sanjuan viel Böses gesehen haben. Das "Klima" dort sei "mit Antisemitismus geschwängert". Er sei beim Einstandsgespräch von einem russischen UN-Untergeneralsekretär gefragt worden, ob er Jude sei. Generalsekretär Javier Perez deCuellar sei "offenbar sehr beunruhigt über die Möglichkeit meiner jüdischen Abstammung" gewesen. Zu Zeiten des Kalten Krieges habe die "Sowjetmafia" die Vereinten Nationen als geheime Nachrichtenzentrale benutzt; die Sowjets hätten "kritische" Bereiche im Sekretariat "kontrolliert". Sanjuan schreibt auch von angeblich tief verwurzelter Korruption, über weitverbreitete Inkompetenz und Faulheit der UN-Mitarbeiter.
"Die UN-Gang" passt in eine seit vielen Jahren in den USA laufende Kampagne rechter Verbände und Politiker gegen das Ungetüm in Manhattan, das gleichzeitig als ineffektiv und böse verspottet beziehungsweise beschimpft wird. Die härtesten Vorwürfe erhebt Sanjuan beim "Aufdecken" einer "militanten islamischen Verschwörung" im UN-Hauptquartier, deren Mitglieder sich schon in den 80er-Jahren tagtäglich zu "dschihadistischen Konferenzen" in der "Delegates Lounge" getroffen hätten. Man habe dort "stets Arabisch" gesprochen.
Das letzte Buchkapitel legt eine lange Liste wünschenswerter Reformen der Vereinten Nationen vor. Sanjuan macht sich Gedanken über die Frage, ob der Internationalismus überhaupt noch eine Zukunft habe. Diese hehren Überlegungen erscheinen nicht sehr glaubwürdig; sind sie doch geradezu angeklebt an ein Buch, das kein gutes Wort verliert über die Weltorganisation und ihr Bemühen, den Frieden zu sichern und eine internationale Zivilgesellschaft zu schaffen. Sanjuans Fragen über Misstände in den Vereinten Nationen verdienen Diskussion und Antworten. Sein polemisches Buch knallt aber Türen zu, die man vorsichtig aufmachen sollte. Und es mangelt gewaltig an Analysen und Daten, die über Sanjuans "Erfahrungen" hinausgehen.
Pedro A. Sanjuan: Die UN-Gang. Über Korruption, Spionage, Antisemitismus, Inkompetenz und islamistischen Extremismus in der Zentrale der Vereinten Nationen. Erfahrungsberichte eines Insiders. Verlag zu Klampen, Springe 2006; S., 19,80 Euro.