Der Streit um den Wettbewerb privater Dienstleistungsanbieter in Europa soll noch in diesem Jahr durch die Verabschiedung der Dienstleistungsrichtlinie beigelegt werden. Der dort gefundene Kompromiss umfasst jedoch nicht die Dienstleistungen von so gennanten allgemeinem Interesse. Diese werden in den einzelnen EU-Staaten entweder von öffentlichen Unternehmen (wie Stadtwerken) erbracht, oder ein Mindestangebot wird durch gesetzliche Auflagen (Post) und gesetzliche Regelungen (soziale Dienste) sichergestellt. Die Frage, ob und in welchem Umfang Dienste, die nach deutschem Verständnis der Daseinsvorsorge dienen, von europäischen Wettbewerbsregeln ausgenommen werden sollen, konnte auch in der letzten Woche vom Europäischen Parlament nicht geklärt werden.
"Leistungen der Daseinsvorsorge", sagt die grüne Abgeordnete Elisabeth Schroedter, "sind das Herzstück des sozialen Modells Europas". Sie fordert daher eine "europäische Rahmenrichtlinie", die den Umfang der garantierten Daseinsvorsorge europaweit festlegt. Die Regeln des Wettbewerbs sollen für diesen Bereich keine Anwendung finden. Der Linken, erwidert der britische Abgeordnete Malcolm Harbour (EVP), gehe es darum, die Öffnung dieser Märkte zu verhindern. "Aber niemand hat bisher die Frage beantwortet, welche Probleme der Bürger eine Rahmenrichtlinie lösen würde." In einem Kompromiss haben Sozialdemokraten (PSE) und Konservative (EVP) die Kommission in der letzten Woche aufgefordert, einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen und damit "für mehr Rechtssicherheit zu sorgen". Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hat das Votum als einen Beitrag zur "Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten" begrüßt.
Viele Abgeordnete in Straßburg sehen in der Rechtsunsicherheit, die durch das Vorgehen der Kommission und eine Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs entstanden ist, das Hauptproblem der Daseinsvorsorge. "Die Wasserversorgung soll auch in Zukunft von den Gemeinden geregelt werden können", sagt Andreas Schwab (CDU). Detaillierte europäische Vorschriften seien hier fehl am Platz. Der Berichterstatter des Parlaments, Bernhard Rapkay (SPD), sieht vor allem die Möglichkeit der Kommunen in Frage gestellt, Leistungen der Daseinsvorsorge in Eigenregie oder in Kooperation mit anderen Firmen zu erbringen, will ihnen aber keinen Freibrief ausstellen.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso schloss am Ende der Debatte in Straßburg eine radikale Lösung aus. Die Kommission betrachte die Daseinsvorsorge als Teil des europäischen Modells, werde die Wettbewerbsregeln aber nicht komplett vergessen. Sie sei verpflichtet, die im EU-Vertrag festgelegten Regeln des Binnenmarktes zu respektieren und durchzusetzen. Die Daseinsvorsorge sei ein berechtigtes Anliegen der Mitgliedstaaten, müsse aber den unterschiedlichen Gegebenheiten in Europa ebenso Rechnung tragen wie der wirtschaftlichen Entwicklung. "Patentrezepte dafür gibt es nicht", so Barroso.