Bildung, Chancengleichheit und Sorgen des ländlichen Raums rücken nach den Sommerferien wieder in den Fokus der Landtagsfraktionen. Die Vielfalt der Problematik reicht daneben aber bis in höchste Höhen: Regelmäßig befasst sich das Parlament mit den Alpen, jener einzigartigen und hochsensiblen Gebirgslandschaft, in der menschliche Eingriffe und Fehlgriffe politische Rettungseinsätze notwendig machen.
Im Mittelpunkt der jüngsten derartigen Aktion dreier Landtagsausschüsse - für Umwelt, Landwirtschaft sowie Wirtschaft und Verkehr - stand eine Interpellation, über die die Grünen der Staatsregierung in Sachen Bergwelt auf den Zahn fühlen wollten. Es ging um die Umsetzung der Alpenkonvention vom 7. November 1991, in der sich die insgesamt acht Anrainer-Länder zu einer nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums verpflichtet haben. Besonderes Gewicht bekam die Debatte nicht zuletzt durch die bevorstehende Aufrüstung von Wintersportgebieten mit umstrittenen Schneekanonen.
Für die bayerischen Alpen traten die Protokolle der Konvention im Dezember 2002 in Kraft. Nach Ansicht der Grünen steht jedoch zumindest teilweise das Handeln von Verwaltung und Politik im "eklatanten Widerspruch" zu den in der Konvention festgehaltenen Grundsätzen und Bestimmungen. Ihre umweltpolitische Sprecherin Ruth Paulig sprach von einer alarmierenden Bilanz, die sich durch die Beantwortung der Großen Anfrage gezeigt habe. Die Zerstörung des Ökosystems Alpen durch eine ungebremste touristische Erschließung, durch Straßen- und Wegebau, durch unangepasste Land- und Forstwirtschaft schreite bedrohlich voran, und die Staatsregierung mache sich dafür zur willigen Erfüllungsgehilfin.
Das wollte Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) so nicht stehen lassen. Er konterte mit einem Satz, den vor fast 20 Jahren der damalige Umweltminister Alfred Dick anlässlich einer CSU-Interpellation zur Gefährdung des Alpenraums im Landtagsplenum geprägt hatte: "So g'scheit wie manche, die jetzt anschieben, sind wir schon lange." Bayern, so Schnappauf, habe bereits seit den 60er-Jahren Programme zum Schutz der Bergwelt aufgelegt, 43 Prozent des gesamten bayerischen Alpenraums seien zur Tabuzone erklärt worden, die der Natur überlassen werde und von Erschließung freizuhalten sei. 1984 habe die Staatsregierung mit einem umfangreichen Programm zur Sanierung des Schutzwaldes begonnen.
Schnappauf beteuerte, dass Bayern seit Jahrzehnten seine Verantwortung für die Erhaltung des Alpenraums wahrgenommen und sich auch bei der Ausarbeitung der Alpenkonvention voll eingebracht habe. Der Minister führte dabei als Kronzeugen seinen früheren grünen Amtskollegen im Bund, Jürgen Trittin, an, der den Freistaat Bayern ausdrücklich für dessen diesbezügliches kontinuierliches Engagement gelobt habe.
Trotz aller bisherigen Bemühungen droht den Alpen aber weiterhin Gefahr. Schnappauf wies auf einen "enormen Belastungsdruck" durch signifikant zunehmenden Verkehr und eine rasant fortschreitende Klimaerwärmung hin und konstatierte Handlungsbedarf. Das bedeutet nicht nur Verpacken des letzten deutschen Gletschers auf der Zugspitze, weil sein Abschmelzen innerhalb der nächsten 20 Jahre befürchtet wird. Vielmehr erwähnte der Minister ein 250 bis 300 Millionen Euro teures Programm der Staatsregierung, für den technischen Hochwasserschutz der nächsten zehn Jahre. Um den von der Klimaforschung vorhergesagten wachsenden Naturgefahren zu begegnen, werden außerdem eine neuartige Gefahrenhinweis-Karte sowie eine "Plattform Naturgefahren" mit einer strategischen Konzeption zum Umgang mit Naturgefahren entwickelt.
Angesichts der von der Opposition immer wieder vorgebrachten Kritik am zunehmenden Einsatz von Schneekanonen in den bayerischen Wintersportgebieten bekannte sich Schnappauf zu einem naturverträglichen und sanften Tourismus. Allerdings sei inzwischen auch festgestellt worden, dass künstliche Beschneiung entgegen früheren Vermutungen die Vegetation nicht verändere. Die Problematik, so Schnappauf, liege in der Baumaßnahme selbst und der Wasserversorgung der Anlage, darauf komme es bei einer Genehmigung an. Er könne schlecht nachvollziehen, wenn jemand in Zeiten der Klimaerwärmung Geld in die Hand nehme für so eine Anlage, die in etlichen Jahren nicht mehr in einem Wintersportgebiet liegen werde.
Der umweltpolitische Sprecher der SPD, Ludwig Wörner, bohrte nach: Mit Schneekanonen aufzurüsten sei der falsche Weg. Anstatt das Geld der Steuerzahler in die Förderung von Kunstschnee und mehr Lifte zu stecken, solle Bayern in die Zukunft investieren, nämlich in Projekte, die den Klimawandel überleben könnten. Der Politiker warnte: Wenn erst einmal Millionen in Kunstschneeanlagen investiert worden seien und sich die Frostgrenze nach oben verschiebe, werde sich der Druck auf die Gemeinden stark erhöhen, mit chemischen Zusätzen bei der Beschneiung nachzuhelfen. Der Politiker sprach sich für neue Wege aus, zum Beispiel sollten Gäste mit heimischen Produkten für die Gastronomie gewonnen werden.
Die Grünen-Abgeordnete Paulig listete umfangreich auf, welche Inhalte der Alpenkonvention sie noch nicht ausreichend in die bayerischen Planungen und Gesetze umgesetzt sieht. Mängel monierte sie bei der Landesplanung, beim Naturschutz, der Bergwaldsanierung, im Tourismus, im Energiebereich oder der Verkehrspolitik. Die Chancen, mit der Konvention eine nachhaltige Entwicklung für "diesen wunderbaren Natur- und Erlebnisraum" einzuleiten und umzusetzen, würden von der Staatsregierung nicht genutzt. Schnappauf widersprach. Bayern sei bei der Umsetzung der Konvention im internationalen Vergleich in vielerlei Hinsicht vorbildlich. "Wenn auch nicht alles Gold ist, was glänzt", fügte er vorsichtshalber hinzu.