Der Vatikan prüft nun die Möglichkeit, Reden Benedikts XVI. künftig auch in arabischer Sprache zu veröffentlichen, so der Präsident des päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Paul Kardinal Poupard. Der italienischen Tageszeitung "Il Tempo" sagte der französische Kurienkardinal, eine unverzügliche Übersetzung könne die Gefahr falscher Interpretationen vermeiden. Am vergangenen Montag war der Papst zudem mit den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern islamischer Länder zusammengetroffen. Bei dem vom Vatikan initiierten Treffen erläuterte er den islamischen Diplomaten in der päpstlichen Sommerresidenz in Castelgandolfo südlich von Rom noch einmal persönlich die Vorlesung, die er am 12. September während seines Pastoralbesuchs in Bayern unter dem Titel "Glaube, Vernunft und Universität" in Regensburg gehalten hatte und rief bei der Audienz zur Toleranz und Gewaltlosigkeit im Dialog der Kulturen und Religionen auf: "Vom Dialog hängt unsere Zukunft ab." Das Treffen wurde auch von dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira live übertragen und rief überwiegend positive Reaktionen der islamischen Welt hervor.
Der irakische Botschafter beim Vatikan, Albert Edward Ismail Jelda, erklärte etwa, der Papst habe ihn mit seinen Respektbekundungen für den Islam überzeugt. Es sei Zeit, Brücken zu bauen. Auch der Chef der türkischen Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, der als erster nach der Vorlesung des Papstes reagiert und Benedikt XVI. "Kreuzfahrermentalität" vorgeworfen hatte, fand nun beschwichtigende Worte. Die Bedauernsäußerungen des Papstes und besonders das Treffen mit Islamvertretern beseitigten die Enttäuschung, die seine Vorlesung in Regensburg ausgelöst habe.
In dieser Vorlesung, die der Papst vor Professoren und Studenten aller Fakultäten jener Universität hielt, an der selbst acht Jahre lang gelehrt hatte, war er auf einen Dialog zu sprechen gekommen, den der byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos (1391-1425) wohl im Winter 1391 mit einem gelehrten Perser im Feldlager zu Ankara geführt hatte. Aus diesem griff Benedikt XVI. eine Stelle heraus, die - wie er ausdrücklich betonte - für das Gespräch der beiden Disputanten "einen eher marginalen Punkt" darstelle, ihn selbst aber "im Zusammenhang des Themas Glaube und Vernunft fasziniert" habe.
In diesem Abschnitt des mittlerweile weltbekannten Dialogs streiten der byzantinische Kaiser und sein persisches Gegenüber ausgehend vom Dschihad, dem so genannten "Heiligen Krieg", über das unterschiedliche Gottesverständnis. In seiner Vorlesung zitierte der Papst den Kaiser mit den Worten: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst Du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten."
Obwohl der Papst zuvor unmissverständlich deutlich gemacht hatte, dass er nur zitiere und sich mit dem Hinweis auf die "erstaunlich schroffe Form" da-rüber hinaus noch einmal selbst von den Worten Manuels II. distanzierte, wurde das Zitat vom Korrespondenten einer italienischen Zeitung aus dem Zusammenhang gerissen und von einer internationalen Nachrichtenagentur weltweit verbreitet. Die "New York Times" bezeichnete die Worte des Papstes da-raufhin als "tragisch und gefährlich" und warf ihm vor, "Zwietracht zwischen Christentum und muslimischer Welt" zu säen.
Damit war die Lunte an das Pulverfass gelegt. Die islamische Welt äußerte sich vielfach erbost, es wurden Entschuldigungen gefordert, der Papst wurde gar mit Hitler und Mussolini verglichen, und die 57 Staaten umfassende Organisation islamischer Länder (OIC) warf Benedikt XVI. vor, er habe eine "Verleumdungskampagne" gegen den Islam und den Propheten Mohammed begonnen. Türkische Politiker fragten, welchen Sinn es habe, diesen Papst im November in der Türkei zu empfangen, Marokko rief seinen Vatikan-Botschafter heim, Scheich Jussuf Al-Kardawi, der im sunnitischen Islam eine hohe Autorität darstellt, rief zum "Tag des Zorns" auf. Vielerorts kam es zu Gewalt. In der irakischen Stadt Basra zündeten Demons-tranten eine Puppe an, die den Papst darstellen sollte, und in Somalia ermordeten Unbekannte die 65-jährige Ordensfrau Leonella Sgorbati und ihren Leibwächter, nachdem islamische Fundamentalisten zur "Jagd auf den Papst" aufgerufen hatten.
Dabei diente das Zitat Manuels II. dem Papst nur als Überleitung zu seinem eigentlichen Thema "Glaube und Vernunft", in dessen Folge Benedikt XVI. weniger den Islam, als vielmehr den Westen kritisierte. Scharf wandte sich der Papst etwa gegen Kant, der den "Glauben ausschließlich in der praktischen Vernunft verankert und ihm den Zugang zum Ganzen der Wirklichkeit" abspreche. "In der westlichen Welt" herrsche, so der Papst, "weithin die Meinung, allein die positivistische Vernunft und die ihr zugehörigen Formen der Philosophie seien universal". Von den "tief religiösen Kulturen der Welt" werde jedoch gerade der "Ausschluss des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre inneren Überzeugungen angesehen", so der Papst. Daher sei "eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den Bereich Subkultur abdrängt", aufgrund mangelnder Vorrausetzungen "unfähig zum Dialog der Kulturen". "Der Westen ist seit langem von einer Abneigung gegen die grundlegenden Fragen seiner Vernunft bedroht und kann damit nur einen großen Schaden erleiden."
Als Lösung bot der Papst eine "Selbstkritik der modernen Vernunft" an. Dazu müsse man "nun nicht wieder hinter die Aufklärung zurückgehen und die Einsichten der Moderne verabschieden", stellte er klar. Nicht um "Rücknahme", sondern um die "Ausweitung unseres Vernunftbegriffs und -gebrauchs" gehe es. Denn "bei aller Freude über die neuen Möglichkeiten des Menschen sehen wir auch die Bedrohungen, die aus diesen Möglichkeiten aufsteigen, und müssen uns fragen, wie wir ihrer Herr werden können. Wir können es nur, wenn Vernunft und Glaube auf neue Weise zueinander finden; wenn wir die selbstverfügte Beschränkung der Vernunft auf das im Experiment Falsifizierbare überwinden und der Vernunft ihre ganze Weite eröffnen", zeigte sich der Papst überzeugt.
Vor seiner Kritik am Vernunftbegriff des Westens hatte der Papst - ebenfalls mit Hinweis auf die Vernunft - der Verbreitung des Glaubens mittels Gewalt eine klare Absage erteilt. "Der Kaiser", fuhr Benedikt XVI. im Anschluss an das beanstandete Zitat fort, "begründet, nachdem er so zugeschlagen hat, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie stehe im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele." "Nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider", zitierte der Papst Manuel II., nicht ohne darauf hinzuweisen, dass dies "der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen die Bekehrung durch Gewalt" sei.
Dass die Regensburger Vorlesung Benedikts XVI. trotz ihrer ungeheuren Dichte und intellektuellen Brillanz nicht missverstanden werden musste, zeigten zahlreiche Stellungnahmen, darunter die von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der erklärte: "Wir respektieren den Papst, wir respektieren alle, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen."