Das Parlament Ist mit dem Fall Jan Ullrich alles offen gelegt oder rechnen Sie mit weiteren Doping-Enthüllungen im Spitzensport?
Rolf Aldag Schwer einzuschätzen. Man sollte niemals nie sagen - schon mit dem jetzigen Ausmaß hätte ich niemals gerechnet. Das ist ja ein Szenario wie auf dem Arbeitsamt, wo sich jeder eine Wartenummer zieht. Die sitzen auf dem Flur und fragen sich gegenseitig, was jeder so bekommen hat. Das ist eigentlich jenseits meiner Vorstellungskraft. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass da noch mehr ist. Wirklich relevant ist aber, das so etwas für die Zukunft komplett ausgeschlossen wird.
Das Parlament Ist ein Antidopinggesetz die Lösung?
Rolf Aldag Es muss eine Gruppe von Maßnahmen sein. Ich glaube nicht, dass das kriminelles Potential der Sportler ist, sondern es sind die Drogennetzwerke, die natürlich nur mit der Bereitschaft des Sportlers zur Zusammenarbeit funktionieren. Der Sportler ist also nicht nur Opfer. Aber bei den Leuten, die mit der Verbreitung von Dopingpräparaten ihr Geld verdienen, steckt die wirklich kriminelle Energie. Nichtsdestotrotz bin ich auch für harte Strafen gegen den Sportler selber, er trägt schließlich die Verantwortung. Harte Strafen senken möglicherweise die offensichtlich vorhandene Risikobereitschaft. Der Gedanke "Mensch, dann bin ich vorbestraft" könnte möglicherweise abschrecken.
Das Parlament In Frankreich hat man Erfolg mit einer harten Linie. Kann das Vorbild für Deutschland sein?
Rolf Aldag Ja, alles was Erfolg bringt scheint gut zu sein. Seit dem Festina Skandal 1998 spielt Frankreich eine durchaus anerkannte Vorreiterrolle. Dort gibt es öfter mal eine Hausdurchsuchung durch die Ermittlungsbehörden. In Deutschland waren sicherlich viele überrascht, dass es auch jetzt schon möglich ist, international zu ermitteln, in die Schweiz zu fahren und sich Häuser aufschließen zu lassen. So etwas zeigt Wirkung!
Das Parlament Mit Linus Gerdemann haben Sie eine große Nachwuchshoffnung im Team. Was tun Sie, um zu verhindern, dass so ein junger Sportler mit den falschen Leuten in Kontakt kommt?
Rolf Aldag Wir schränken den Personenkreis ein: Die ärztliche Versorgung erfolgt ausschließlich über die Uni-Klinik Freiburg. Den Leuten dort kann man vertrauen. Dort kann man alles bekommen, was erlaubt ist, da muss keiner zu einem vermeintlichen Superarzt nach Spanien oder Italien fahren. Wichtig ist die Kommunikation in der Mannschaft. Abkapselungen wie bei Ullrich wird es nicht mehr geben. Entscheidend scheint mir die Kommunikation innerhalb der Mannschaft zu sein. Ich bin guten Mutes, dass es gelingt. Schließlich haben wir ein Kommunikationsunternehmen als Sponsor.
Das Interview führte Götz Hausding