Nachruf
Zum Tod unseres ehemaligen Kollegen Detlev Lücke
Beim letzten Besuch in unserer Redaktion erschien Detlev Lücke wie so oft mit einem Witz auf den Lippen. Tatsächlich: Die Frequenz des Witzeerzählens hatte seit seiner Pensionierung im Mai 2005 etwas abgenommen. Nicht, dass wir keine Witze kannten, aber niemand konnte sie mit solcher Inbrunst und pointensicher erzählen. Doch die Gespräche mit ihm, dem Intellektuellen mit einer gesunden Abneigung gegen einfache Antworten, waren nicht nur amüsant. Sie waren vor allem interessant und lehrreich.
Denn Detlev Lücke verfügte über ein außergewöhnliches Wissen: Ob eigene Erfahrungen oder Bücherwissen, es schien unerschöpflich zu sein. So konnte er problemlos Gedankenfäden zwischen Politik, Fußball, Kunst, Geschichte, der Deutschen Bahn und dem Zentralkommitee der SED herstellen.
Diese Leichtigkeit überdeckte jedoch nicht, dass er auch ein Melancholiker war, romantisch, sich nach Natur und Ruhe sehnend. Sein wunderschöner, etwas verwilderter Garten hinter dem Pankower Wohnhaus zeugt von dieser Sehnsucht.
Sein Tod macht den Zurückbleibenden schmerzhaft bewusst: Wenn ein Mensch geht, verlieren wir auch viel von seinem Wissen und seinen Erfahrungen.
Andere an diesem Wissen teilhaben lassen - das wollte und das konnte er auch. (Sein) Leben in der DDR und - mit diesem biografischen Hintergrund - im vereinigten Deutschland: Das war sein Thema, aber in Schubladen ließ er sich nie pressen.
Mit der selben Hartnäckigkeit, mit der er das System der Staatssicherheit kritisierte, weil sie in seinem Alltag rumschnüffelte, wehrte er sich gegen bestimmte Nach-Wende-Phänomene: Er konnte es nicht hinnehmen, dass die Mauer in den Köpfen vieler Deutscher in Ost und West 1989 eben nicht eingerissen wurde. Er wollte nicht "der Pressesprecher der DDR" sein. Er verlangte lediglich einen vorurteilsfreien und differenzierten Blick. Für ihn existierte "der Osten" genausowenig wie "der Westen".
Geboren 1942 in Magdeburg, aufgewachsen in Berlin, lernte er als Schüler am traditionsreichen humanistischen Gymnasium "Graues Kloster". Sein Studium der Altphilologie, die Vorlesungen von Robert Havemann, die Erfahrungen als Kunstredakteur des "Sonntag" machten ihn zu dem Intellektuellen, als den wir ihn kennenlernen durften und schätzten.
Nach seinem Weggang vom "Freitag", dessen Chefredakteur er lange war, kam er 2002 zum "Parlament" - und mit ihm viele neue Ideen. Wir sind sehr bestürzt über seinen unerwarteten Tod und trauern mit seiner Frau, seinen beiden Söhnen und Verwandten.