Im Angesicht des vom Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche gelegten Europas hielt Winston Churchill vor 60 Jahren, am 19. September 1946, seine berühmte Züricher Rede. "Ich möchte heute über Europas Tragödie sprechen", erklärte der britische Staatsmann damals und entwickelte mit fast seherischen Fähigkeiten das Grundgerüst für die Europäische Union. EU-Handelskommissar Peter Mandelson begann seine Rede am vergangenen Montag in Berlin gleichfalls mit diesem Zitat. 60 Jahre später stimmt ihn nicht die Gefahr eines Krieges nachdenklich, sondern die Tatsache, dass viele Europäer dieses Szenario vergessen zu haben scheinen. "2006 betrachten wir diesen geteilten Frieden als eine Selbstverständlichkeit", so Mandelson. Europa stehe dafür stattdessen vor einer ganz neuen Herausforderung: der Globalisierung. Es sei Aufgabe der Europäischen Union, "Churchills Vision einer gemeinsamen europäischen Zukunft zu nehmen und sie für ein globales Zeitalter zu erneuern". Um Europa im globalen Zeitalter konkurrenzfähig zu halten, setzt Mandelson vor allem auf eins: die Neugestaltung der auswärtigen Wettbewerbsstrategie. Für Anfang Oktober kündigte der frühere Berater des britischen Premierministers Blair unter anderem eine Reform der EU-Handelsverteidigungsinstrumente an. Herzstück der EU-Strategie bleibe die Welthandelsorganisation WTO. Dieses solle allerdings um eine Reihe von Freihandelsabkommen ergänzt werden.
Als besondere Herausforderung für die Europäische Union nannte er dabei China. Von dort komme "ein großer Teil des Wettbewerbdrucks". Das Land müsse daher noch stärker in das globale Wirtschaftssystem einbezogen werden, so Mandelson im Weltsaal des Auswärtigen Amtes. Gleichzeitig forderte er aber auch: "China muss seinen Anteil dazu beitragen: Handelsbarrieren abbauen und sich stärker öffnen." Ende Oktober will die Kommission ebenfalls eine neue China-Strategie vorstellen. In seiner Analyse sieht der EU-Kommissar noch ein spezielles europäisches Hindernis für eine wirksame Globalisierungsstrategie: "Die Angst vor Veränderungen ist ein wesentliches Merkmal moderner europäischer Politik".