Trotz zahlreicher Bedenken war die Entscheidung der Kommission für den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum 1. Januar 2007 im Europäischen Parlament überwiegend positiv aufgenommen worden. "Man kann an den Details rummäkeln", sagte der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Martin Schulz. "Wir sollten Rumänien und Bulgarien aber aufnehmen, weil wir sie brauchen."
Die "Details" hatte die EU-Kommission zuvor in ihrem Bericht über die Beitrittsvorbereitungen der beiden Länder ausführlich dargestellt. Insgesamt bescheinigt sie den beiden Ländern zwar, "Fortschritte bei der Vorbereitung des Beitritts" erreicht zu haben. Man habe jedoch auch "Bereiche ausgemacht, die weiter Anlass zur Sorge geben". Beide Länder werden in dem Bericht aufgefordert, "die bis zum Beitritt verbleibende Zeit zu nutzen, um die offenen Probleme zu lösen".
So sei es beiden Ländern noch nicht gelungen, die Strafverfolgung und die Justiz auf den von der EU verlangten Standard zu bringen. Die Bekämpfung der Korruption lasse weiter zu wünschen übrig, die Vorschriften über die Geldwäsche stünden zwar auf dem Papier, in der Praxis seien aber "keine Erfolge" erzielt worden. Die organisierte Kriminalität werde in Bulgarien nur "in wenigen Fällen erfolgreich strafrechtlich verfolgt". Auf die Auszahlung der Agrarbeihilfen aus dem EU-Haushalt seien die Behörden der beiden EU-Mitglieder in spe ebenso wenig vorbereitet wie auf die Verwendung der Mittel aus den Strukturfonds.
Die Kommission hat im Lebensmittelbereich bereits Schutzmaßnahmen ergriffen oder angekündigt. So soll das (wegen der Schweinepest) bestehende Ausfuhrverbot für lebende Schweine und Schweinefleisch aus Rumänien und Bulgarien auch nach dem 1. Januar 2007 bestehen bleiben. Einer Reihe von bulgarischen und rumänischen Unternehmen der Agrarindustrie, die die EU-Anforderungen nicht erfüllen, wird der Export in die alten EU-Staaten für drei Jahre untersagt. Das gilt vor allem für Molkereien. Einschränkungen wird es voraussichtlich auch für die Verwendung von tierischen Nebenprodukten geben, solange die Beseitigung der Tierkadaver nach den EU-Vorschriften nicht gewährleistet ist. Die Bulgaren haben außerdem ein massives Problem mit der Luftsicherheit. Notfalls will die Kommission bulgarische Airlines auf die schwarze Lis- te der EU setzen.
Die in den Beitrittsverträgen vorgesehenen Schutzklauseln sollen zunächst nicht aktiviert werden. Sie bleiben jedoch bis Ende 2009 einsetzbar, entweder auf Antrag eines Mitgliedstaates oder auf Initiative der Kommission. Brüssel kann auch die Auszahlung der Agrar- und Regionalförderung (2007 können die Bulgaren mit 1 Milliarde Euro und die Rumänen mit 2,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt rechnen) aussetzen.
Soweit werden die Bulgaren und die Rumänen nicht anders behandelt als die anderen Kandidaten der "fünften Erweiterungsrunde". Neu sind allerdings die besonderen Berichtspflichten, die der Regierung in Sofia und Bukarest auferlegt werden. Beide Länder müssen auch nach ihrer Aufnahme als Vollmitglieder regelmäßig "über ihre Fortschritte bei der Erfüllung bestimmter Anforderungen" berichten, erstmals am 31. März 2007.
Damit will die Kommission der irritierten europäischen Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln, die Aufnahme der beiden Balkanländer sei an strikte Bedingungen gebunden, die von Brüssel durchgesetzt werden können. Bei der Justizreform, dem Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität müssten sie "festgelegte Zielwerte" erreichen, sagt Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Halbjährliche Berichte sollen dafür sorgen, dass der Reformeifer nicht erlahmt. Von den Bulgaren erwartet man in Brüssel unter anderem eine Verfassungsänderung, um die Justiz unabhängig zu machen, sowie die Verabschiedung einer Gerichtsverfassung, einer Zivilprozess- und Verwaltungsgerichtsordnung.
Sollte eines der beiden Länder diese Vorgaben nicht "angemessen einhalten", können die Mitgliedstaaten die Anerkennung von Urteilen, die von bulgarischen und rumänischen Gerichten gefällt werden, verweigern. Das wird den Politikern in Sofia und Bukarest nicht den Schlaf rauben - zumal keine der Auflagen mit konkreten Fristen versehen ist.
Trotzdem ist Kommissionspräsident Barroso sicher, dass die Erweiterung der Europäischen Union "einmal mehr reibungslos erfolgt und zu einer Stärkung der Union" führen wird. Weitere Mitglieder könnten allerdings erst "nach einer Lösung der Verfassungsfrage" aufgenommen werden.