Europa altert. Die Erkenntnis ist nicht neu. Der Druck, die Folgen des demografischen Wandels mit einer neuen Familien- und Sozialpolitik abzufedern, wächst jedoch unaufhaltsam. Die Europäische Kommission wird daher Anfang Oktober in einem offiziellen Schreiben erneut an die Mitgliedstaaten appellieren, sich Gedanken über dringend notwendige politische Reformen zu machen. Bereits im März 2005 hatte die Kommission ein Grünbuch zum Demografischen Wandel vorgelegt.
Die EU steht vor einem beispiellosen Wandel ihrer Bevölkerungsstruktur, der die ganze Gesellschaft beeinflussen wird. Während die Europäer gesünder sind und länger leben, kommen immer weniger Kinder auf die Welt. Bis 2030 werden der Union 20,8 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter fehlen. Die Zahl der Arbeitnehmer zwischen 55 und 64 Jahren wird um 24 Millionen steigen. Von den Über-80-Jährigen wird es statistisch nahezu doppelt so viele Menschen geben wie heute (18,8 auf 34,7 Millionen). Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung der Europäer alle vier Jahre um ein Jahr; 2050 wird die Zahl der Europäer, die älter als 80 sind sogar um 150 Prozent größer sein.
Unerbittlich wird die Alterspyramide auf den Kopf gestellt. Hauptursache ist die stetig sinkende Geburtenrate in der EU. 2003 lag sie bei 1,48 Kindern pro Frau und damit weit unter der für die Erneuerung einer Generation nötigen Schwelle von etwa 2,1 Kindern. Die Geburtenrate in Ländern mit einer aktiven Gleichstellungspolitik wie beispielsweise in Skandinavien hält sich relativ stabil. In Übergangsländern wie Polen dagegen wiegen materielle Sorgen offenbar schwerer als traditionelle Familienwerte. Mit Ausnahme der kleinsten Neulinge Zypern und Malta verzeichneten die im Jahr 2004 zur EU beigetretenen zehn Länder alle schrumpfende Einwohnerzahlen. Für Bulgarien und Rumänien wird ebenfalls eine rückläufige Entwicklung prognostiziert. Doch die Kinderzahl entspricht offenbar nicht dem Kinderwunsch der Europäer. Forscher haben errechnet, dass eine Verbesserung der Rahmenbedingungen wie beispielsweise einer besseren Kinderbetreuung die Geburtenrate um 15 Prozent wachsen lassen könnte.