"Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein." Dieser
Satz bedeutete 1978 für Hans Filbinger das politische Aus: der
baden-württembergische Ministerpräsident musste
zurücktreten. Nicht seine Beteiligung als Marine-Richter an
Todesurteilen gegen Deserteure der Wehrmacht während des
Zweiten Weltkrieges brachte den Christdemokraten zu Fall, sondern
seine völlige Uneinsichtigkeit, dass es sich bei diesen
Urteilen zumindest moralisch um Unrecht handelte.
Der Historiker Wolfram Wette hat in einem schmalen Sammelband
den Fall Filbingers, der sich bis heute als Opfer einer
"Rufmordkampagne" sieht, aufgegriffen. Ausgelöst worden war
der Polit-Skandal durch Rolf Hochhuth, der in einem Vorabdruck
seines neuen Roman "Eine Liebe in Deutschland" in der "Zeit"
Filbinger als "Hitlers Marine-Richter" und furchtbaren Juristen"
bezeichnet hatte.
Doch in den acht kurzen aber lesenswerten Beiträgen geht
es um mehr als nur um einen der bekanntesten Affären der
Bundesrepublik, sondern vor allem um ein schwieriges Kapitel
deutscher Vergangenheitsbewältigung. Es ist die Geschichte von
30.000 Deserteuren der Wehrmacht, die während des Zweiten
Weltkrieges zum Tode verurteilt wurden - 20.000 Urteile wurden
vollstreckt - und die nach dem Krieg auch weiterhin als
"Vaterlandsverräter" angesehen wurden.
Der Militärhistoriker Manfred Messerschmidt zeigt, dass
die Richter durchaus Spielräume bei der Verurteilung von
Deserteuren hatten, aber gnadenlos von der Todesstrafe Gebrauch
machten, weil Hitler dies wünschte. Erst 57 Jahre später
wurden sie rehabilitiert. Am 17. Mai 2002 beschloss der Bundestag
nach einem zwölfjährigen parlamentarischen Ringen ein
Gesetz, dass die Urteile pauschal aufhob.
Wolfram Wette (Hg.):
Filbinger - eine deutsche Karriere
zu Klampen Verlag,
Springe 2006;
191 S., 18 €