Spätestens mit der Solidaritätserklärung von
Ex-Kanzler Gerhard Schröder für seinen damaligen Amtschef
Frank-Walter Steinmeier ist der Fall Murat Kurnaz zum brisanten
Zündstoff in der politischen Arena mutiert. Wenn die
Opposition den Außenminister unter Druck setzt und dessen
Rücktritt avisiert, weil er für die lange Haft des
fälschlicherweise unter Terrorverdacht geratenen Türken
aus Bremen in Guantanamo mitverantwortlich sein soll, mag dies
für die SPD noch angehen. Dass aber allen offiziellen
Vertrauenserklärungen zum Trotz aus der zweiten und dritten
Reihe der Union kritische Töne gegenüber Steinmeier laut
werden, muss die SPD-Prominenz alarmieren - markiert doch der
Ressortchef einen Eckpfeiler in der Koalitionsarithmetik. Auch
Steinmeier selbst sieht sich zu öffentlicher Rechtfertigung
gezwungen.
Entschieden wird der politische Kampf um Steinmeiers Zukunft
indes nicht durch Interviews und gezielt lancierte Indiskretionen.
Dessen Zukunft steht in der zähen Kleinarbeit des
Untersuchungsausschusses auf dem Spiel - der Ausgang darf als offen
gelten. Im Kern dreht es sich um die Frage, ob Kurnaz bereits im
Herbst 2002 als ungefährlich eingestuft wurde, ob damals die
USA dessen Überstellung offerierten und warum die
zuständigen Gremien unter Steinmeiers Verantwortung gegen eine
Rückkehr des Bremers nach Deutschland votierten und ihn
stattdessen der Türkei überantworten wollten. Der
SPD-Politiker argumentiert, Kurnaz habe seinerzeit als
Sicherheitsrisiko gegolten und ein US-Angebot zur Freilassung habe
nicht existiert.
Keine formelle Anfrage Offenbar hatten die USA keine formelle
Offerte speziell für Kurnaz unterbreitet, doch wurde auf einer
gewissen hierarchischen Ebene dessen Überstellung im Rahmen
einer größeren Freilassungsaktion erörtert. Von den
deutschen Agenten, die den Türken im Herbst 2002 auf
Guantanamo verhörten, wurde dessen Ungefährlichkeit teils
als belegt, teils als nicht gänzlich erwiesen eingestuft. So
lassen sich Erklärungen der Fraktions-Obleute im Ausschuss
nach der nichtöffentlichen Befragung der Geheimdienstler
interpretieren. Aber kann diese Situation eine Entscheidung
legitimieren, die zur mehrjährigen Einkerkerung eines Menschen
unter dem Schreckensregiment von Guantanamo zumindest wesentlich
beiträgt? Es wird spannend, wenn am 26. Februar Joschka
Fischer, am 8. März Otto Schily und Steinmeier, später
vielleicht sogar Gerhard Schröder aussagen.