Über Robert Bosch wissen selbst Sozialdemokraten nur
Gutes zu erzählen. Der schwäbische Unternehmer, der 1886
in Stuttgart eine Werkstätte für Feinmechanik und
Elektrotechnik gründete und daraus einen bedeutenden
Elektrokonzern formte, gilt als Prototyp des Kapitalisten mit Herz,
des fürsorglichen Firmenpatriarchen, dem das Schicksal seiner
Arbeiter und Angestellten nicht gleichgültig war und der
seinen Reichtum durch vielfältiges gesellschaftliches
Engagement für die Allgemeinheit einsetzte. Seine Gewinne
während des Ersten Weltkriegs stiftete er für
Krankenhäuser und Kriegswaisen, in der Zwischenkriegszeit lag
ihm die deutsch-französische Aussöhnung am Herzen und im
Dritten Reich rettete er Juden und andere Verfolgte vor der
Deportation durch die Nazis, denen er ablehnend
gegenüberstand.
Der rote Bosch Nicht umsonst nannte man ihn den "roten Bosch",
weil er schon 1906 den Achtstundentag einführte. "Beim Bosch"
gab es Urlaub und Vorsorge für das Alter, Arbeitsplätze
für Schwerbehinderte und eine gute Ausbildung für die
Lehrlinge. 1937, fünf Jahre vor seinem Tod, verfügte er,
die Erträge des Unternehmens gemeinnützigen Zwecken
zuzuführen. Daraus ging 1969 die Robert-Bosch-Stiftung
hervor.
Bosch war nicht der einzige Unternehmer mit sozialem Gewissen:
Gerade im Mittelstand waren und sind sie auch heute noch
anzutreffen. Doch das Bild in der Öffentlichkeit wandelt sich:
Die Heuschrecken lösen die Patriarchen ab, der Shareholder
Value, das Gewinninteresse des Aktionärs, ersetzt die soziale
Verantwortung. Die Globalisierung setzt die Unternehmen unter einen
Wettbewerbsdruck, der zu Boschs Zeiten unbekannt war. "The business
of business is business", heißt es bei dem kürzlich
verstorbenen Wirtschaftsprofessor und Nobelpreisträger Milton
Friedman. Unternehmen machen dann ihren Job, wenn sie Gewinne
erwirtschaften.
Man mag darüber streiten, ob Bosch nur Philanthrop oder
vielmehr ein weitsichtiger, strategisch denkender Unternehmer war,
der nicht uneigennützig gehandelt hat. Gesunde Arbeiter
leisten mehr als Kranke, motivierte mehr als frustrierte. Wie die
gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen heute aussieht,
interessiert auch die Bundestagsabgeordneten. Beim Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt es einen
Unterausschuss, der sich mit dem "bürgerschaftlichen
Engagement" beschäftigt. Vorsitzender ist der SPD-Abgeordnete
Michael Bürsch, der schon die bis 2002 tagende
Enquete-Kommission zur "Zukunft des bürgerschaftlichen
Engagements" geleitet hatte.
Vier Unternehmen durften am 31. Januar im Unterausschuss ihr
soziales Engagement präsentieren. Der Düsseldorfer
Energiekonzern Eon, der Dresdener Chiphersteller AMD, der
Stahlproduzent Arcelor Mittal aus Eisenhüttenstadt (ehemals
Eko Stahl) und Betapharm, ein mittelständischer
Arzneimittelhersteller aus Augsburg.
Eon mit europaweit 80.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz
von mehr als 50 Milliarden Euro steht nach eigener Darstellung
für Umwelt- und Klimaschutz, für Energieeffizienz und
Nachhaltigkeit, wie Personalvorstand Christoph Dänzer-Vanotti
verdeutlichte. So werde jährlich ein zweistelliger
Millionenbetrag in Kindertagesstätten, Vor- und Grundschulen
investiert. Kinder verschiedener sozialer und kultureller Herkunft
und die Bildung in den Bereichen Energie, Sicherheit und Umwelt
würden gefördert. Auch auf dem Gebiet der Kunst und
Kultur engagiere sich Eon, allerdings immer mit dem Fokus auf die
Regionen, in denen das Unternehmen tätig ist.
AMD ist mit mehr als 3.000 Mitarbeitern größter
regionaler Arbeitgeber in Dresden. Das Unternehmen engagiert sich
ebenso bei der Förderung des Nachwuchses, die
AMD-Bildungsprogramme haben ihren Schwerpunkt bei
Naturwissenschaften und Technik, wie Karin Raths berichtete.
Investition in die eigene Zukunft "Was wir machen ist weder
Wohltätigkeit noch Hobby. Wir investieren in die eigene
Zukunft", sagte die Unternehmensvertreterin. AMD investiere in
Bildung, weil "gute Leute nicht vom Himmel fallen". Zurzeit
würden noch vier Partnerschulen unterstützt, etwa indem
die technische Ausstattung spendiert wird.
Das Unternehmen Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt war
früher ein DDR-Stahlkombinat und ist heute Teil des
weltgrößten Stahlkonzerns. Drei Stiftungen
unterhält das Unternehmen, wie sein Sprecher Rainewr
Barcikowski erläuterte.
Die Bürgerstiftung Eisenhüttenstadt unterstütze
gemeinnützige Aktivitäten in den Bereichen Jugend, Sport,
Soziales und Umwelt, die Stahlstiftung Eisenhüttenstadt widme
sich der Förderung von Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung
und die Kulturklubstiftung solle dazu beitragen, die Vielfalt
kultureller Angebote in der Stadt an der polnischen Grenze zu
bewahren.
Schließlich Betapharm mit 400 Mitarbeitern, eine Art
Vorzeigebetrieb für junge Unternehmen mit gesellschaftlichem
Engagement. 1998 begannen die Augsburger, das lokale Modellprojekt
"Bunter Kreis" zu fördern, das sich um die Nachsorge für
schwer kranke Kinder kümmerte. Es folgte die Gründung
einer Stiftung für sozialmedizinische Forschung und
Entwicklung.
Das Unternehmen habe sich vor vier Jahren dafür stark
gemacht, dass die Nachsorge für Kinder von den Krankenkassen
bezahlt wird, was heute der Fall sei, wie Firmensprecherin
Christine Pehl nicht ohne Stolz vermerkte. Sie sprach von einer
"Win-win-Situation", denn vom Engagement profitierten nicht nur die
Geförderten selbst und das Unternehmen, sondern auch die
Kunden, Partnerorganisationen und die Gesellschaft insgesamt.
Für das soziale Engagement sollte es ihrer Meinung nach eine
"Anerkennungskultur", eine Art Gütesiegel, geben.
Was die Unternehmen heute neben dem Geldverdienen noch tun,
firmiert neudeutsch unter den Begriffen "Corporate Citizenship"
(CC) und "Corporate Social Responsibility" (CSR). Veronica Scheubel
vom "International Business Leaders Forum" in London, einer
gemeinnützigen Organisation, die sich der unternehmerischen
Verantwortung im Zeitalter der Globalisierung verschrieben hat,
umschrieb diese neuen Formen unternehmerischen Engagements für
die Gesellschaft mit "verantwortlicher
Wettbewerbsfähigkeit".
Der Einfluss der Stakeholder Scheubel stellte dem Begriff des
Shareholders den des Stakeholders gegenüber. Stakeholder sind
die Anspruchsgruppen, denen sich Unternehmen gegenübersehen,
die von Entscheidungen und Handlungen betroffen sind oder die diese
beeinflussen können. Dazu zählen Kunden, Lieferanten,
Investoren, die Regierung, die Medien, gemeinnützige
Organsationen sowie die Öffentlichkeit insgesamt. Mit diesen
Stakeholdern müssen die Unternehmen heute einen intensiven
Dialog führen, sagte Veronica Scheubel. Alles andere wäre
schädlich für die Reputation und das Image. Die Marke
eines Unternehmens müsse für soziale Werte stehen.
Sponsoring allein reiche nicht aus.
Vom anglophilen Wortgeklingel ließen sich die
Abgeordneten nicht allzu sehr beeindrucken. Ute Kumpf (SPD) machte
kein Hehl daraus, was für sie zählt: Wie steht es mit der
Tarifbindung der Unternehmen? Zahlen sie Gewerbesteuer? Wie ist es
um die Mitbestimmung bestellt? Britta Haßelmann von den
Grünen sprach von einem "dramatischen
Glaubwürdigkeitsverlust", den Siemens wegen der Ben-Q-Pleite
in ihrer nordrhein-westfälischen Heimat Kamp-Lintfort
hinnehmen musste. Und Karl Schiewerling (CDU/CSU) wollte wissen, ob
gesellschaftliches Engagement der Mitarbeiter auch noch nach ihrer
Einstellung gewünscht ist.
Der Unterausschuss will den Dialog mit den Unternehmen
fortsetzen.
Mehr zum Thema unter
www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Mittelstand/corporate-citizenship.html
Kompakt
- Corporate Citizenship (CC) und Corporate Social Responsibility
(CSR) stehen als Begriffe für die gesellschaftliche
Verantwortung und das Engagement von Unternehmen. In großen
Unternehmen gibt es eigene Abteilungen, die dieses Engagement
strategisch planen.
- In Deutschland übernehmen Mittelständler und
Großunternehmer vor allem in den Bereichen Soziales, Kultur,
Sport und Bildung Verantwortung. Dafür wenden sie rund 17
Milliarden Euro auf. Verglichen mit den nach angelsächsischen
Maßstäben üblichen Summen ist das allerdings ein
eher kleiner Betrag.