Wenn in den vergangenen Jahren im Parlament der
Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung verhandelt wurde, war
der Minister als Mutmacher gefragt. Denn die ökonomischen
Daten waren häufig so, dass der herbeigeredete Aufschwung mehr
dem Wunschdenken entsprang. Anders in diesem Jahr: Michael Glos
(CSU) hat die Zahlen auf seiner Seite.
Das erwartete Wachstum von 1,7 Prozent wird zwar nicht die
2006 erreichten 2,5 Prozent wiederholen, aber die Wende am
Arbeitsmarkt und die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung
hat der Minister auch dem Erfolgskonto der Bundesregierung
gutgeschrieben. 300.000 neue Stellen sollen in diesem Jahr
geschaffen werden, die meisten davon sozialversicherungspflichtig.
Glos hofft auch auf die Binnennachfrage: "Wenn man keine Angst mehr
um den Arbeitsplatz hat, wird man wieder ausgabefreudiger."
Das Parlament beriet den Jahreswirtschaftsbericht 2007 (
16/4170 ) am 1. Februar und überwies ihn
zusammen mit dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (
16/3450 ) sowie dem 16. Hauptgutachten der
Monopolkommission (
16/2460 ,
16/2461 ) an die Ausschüsse.
Achse der Reformunwilligen Rainer Brüderle (FDP)
interpretierte die Zahlen anders: Das Wachstum werde sich
abschwächen, die Arbeitslosigkeit sei immer noch zu hoch, der
Konsum gedämpft. Eine "Achse der Reformunwilligen" schimpfte
er die Großkoalitionäre. Der Bürokratieabbau werde
zu zaghaft angegangen, die Bauabzugssteuer müsse weg und der
Steinkohle-Ausstieg komme zu spät. Dass Auskünfte des
Finanzamts künftig bezahlt werden müssen sei "Zynismus",
polterte Brüderle.
Oskar Lafontaine von der Linksfraktion zäumte das
Oppositionspferd vom anderen Ende auf: Die Unternehmereinkommen
seien 2006 um 6,9 Prozent, die der Arbeitnehmer aber nur um 1,3
Prozent gestiegen. Was Glos als "Erfolge" feiere, gehe an der
Mehrheit der Bevölkerung vorbei. Lafontaine redete einem
gesetzlichen Mindestlohn das Wort und nannte es einen
"gesellschaftlichen Skandal", wenn eine Reinigungskraft mit einem
Stundenlohn von 1,92 Euro abgespeist werde.
Gegen Lohndumping Fritz Kuhn von den Grünen trat für
einen branchenabhängigen Mindestlohn ein, beispielsweise
für die Zeit- und Leiharbeitsbranche. Davon wäre keine
Zunahme der Schwarzarbeit zu erwarten, so Kuhn.
Für die Koalition unterstrichen Michael Meister (CDU/CSU)
und Ludwig Stiegler (SPD), dass der Regierungskurs ohne Alternative
sei. Meister würdigte wie schon Glos die
Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren
sowie die Bereitschaft der Unternehmen, wieder zu investieren.
Stiegler warnte vor Lohndumping und mahnte eine gerechtere
Verteilung des Volkseinkommens an. Die Arbeitnehmer dürften
vom wirtschaftlichen Ergebnis nicht ausgeschlossen werden.