Weissrussland
Die Opposition ist zerstritten - ihr fehlen charismatische Politiker
Die Zukunft der weißrussischen Opposition ist ein Jahr nach den eindrucksvollen Demonstrationen gegen den autoritären Machthaber Alexander Lukaschenko weiterhin ungewiss. Und das liegt nicht nur am Lukaschenko-Regime. Denn die Opposition ist zerstritten und es fehlt ihr eine charismatische Führung.
Bezeichnend ist die jüngste Entwicklung. Ende März hätte ein Kongress der Vereinigten Demokratischen Kräfte stattfinden sollen. Aber bereits im Vorfeld kam es zu Streitereien zwischen den Vorsitzenden der beteiligten Parteien. Ziel der Attacke war Ale-xander Milinkiewitsch, der im Oktober 2005 zur Führungsfigur gewählt worden war und im März 2006 als Präsidentschaftskandidat der Opposition gegen Lukaschenko antrat. Der Mann, der sich selbst nicht als Politiker, sondern als Zivilgesellschafter versteht, hatte damals das zustande gebracht, was der Opposition seit Jahren nicht gelingen wollte. Erstmals seit Jahren war es unter seiner Ägide zu namhaften Protesten in der Hauptstadt Minsk gekommen.
Doch der neue Optimismus vermochte die Opposition nicht zu stärken. Sie offenbarte stattdessen ihre alte Schwäche und verrannte sich in internen Machtkämpfen.
Während des Protestmarsches in Minsk am "Tag des Willens" am 25. März, bei dem rund 6.000 Menschen gegen Lukaschenko demonstrierten, stellte sich die Opposition noch einmal hinter Milinkiewitsch. Zwar wurden die Proteste weithin als Erfolg gewertet, aber es gab auch Kritik. So kommentierte die Zeitung Nasha Niva (Unser Feld): "Die Demonstration der Opposition machte einen ziemlich traurigen Eindruck - wie immer. Mit sehr langen Reden von den unfähigen Rednern jeder einzelnen Partei und Organisation. Die Demonstration hatte gerade begonnen, da verließen die Menschen sie auch schon wieder."
Das zeigt ein grundsätzliches Problem: Die Menschen sehen und hören seit rund zehn Jahren dieselben Reden von denselben Personen. Dazu kommt, dass Parteien in dem postsowjetischen Land keinen guten Ruf haben. Gerade die jungen Städter, die mittlerweile zum wichtigsten Motor des Protestes geworden sind, wenden sich enttäuscht von der parteipolitischen Opposition ab.
Dazu kommt: Zwar schwächelt die weißrussische Wirtschaft durch die im Januar angestiegenen Gas- und Ölpreise, aber Lukaschenko sitzt weiterhin fest im Sattel. Der Analytiker Aleksej Pikulik sieht deswegen vor allem eine Legitimitätskrise für die Opposition aufziehen. Er fordert, dass sich die Politiker strategischen Fragen zuwenden sollen. In der Zeitschrift "Arche" stellte er einige für die Opposition äußerst unangenehme Fragen: "Wie kann das Staatsmonopol, das öffentliche Interesse zu bestimmen, endlich gebrochen werden? Sind die wirklichen Demokraten in der demokratischen Opposition? Und wie vertrauenswürdig sind Versprechen der EU gegenüber Weißrussland?"
Solange die Antworten ausstehen, könnte man sagen, ist nicht nur die Zukunft der weißrussischen Opposition weiterhin ungewiss, sondern vor allem ihre Stärke.