MEDIEN
Herzlichen Glückwunsch Phoenix! Der unaufgeregte deutsche Fernsehsender mit viel Raum für parlamentarisches und gesellschaftliches Geschehen wird 10 Jahre alt.
Alltag in Deutschlands Wohnzimmern: Ein gemütlicher Abend auf dem Sofa. Getränke und Knabbereien sind bereitgestellt. Ein schwungvoller Druck auf die Taste der Fernbedienung und los geht's. Doch Moment: Was ist das? Keine Telenovelas, Quizshows oder Werbung für Handy-Klingeltöne. Nicht einmal lautstarke Actionspiele in kameraüberwachten Containerbauten stören die abendliche Stille des Raums. Läuft dort wirklich ein deutscher Sender? - Ja, Phoenix!
Schaltet man den 1997 von ARD und ZDF gegründeten Ereignis- und Dokumentationskanal ein, ergibt sich nicht selten ein ähnliches Bild. Zu sehen sind ältere Herren mit graumelierten Schläfen und dunklen Anzügen. Sie stehen an Rednerpulten und reden. Sie diskutieren, erwidern, fragen, widerlegen und fordern. Und haben dafür Zeit, viel Zeit. Das, was auf den ersten Blick ein wenig trocken und farblos wirken mag, hat seine Anhänger in Deutschland gefunden. Ihre Zahl ist seit dem Sendestart des in Bonn sitzenden Kanals nicht rasant, dafür aber kontinuierlich angestiegen. Im Jahr 2006 konnte der öffentlich-rechtliche Sender einen durchschnittlichen Marktanteil von 0,7 Prozent verzeichnen, während es 1998 noch 0,2 Prozent waren.
Die höchste Einschaltquote seiner Geschichte, einen Marktanteil von 3,7 Prozent, erzielte der Sender 2005, als er den Visa-Ausschuss mit Joschka Fischer übertrug - mit Bildern, die vom Parlamentsfernsehen des Bundestags bereit gestellt wurden. Heute schalten rund 4 Millionen Zuschauer täglich mindestens einmal ein. Damit lag der Sender deutlich vor den privaten Informationskanälen n-tv und N24.
Worauf gründet dieser für einen Nischensender relativ große Erfolg? Medienwissenschaftler Professor Wolfgang Mühl-Benninghaus von der Humboldt-Universität Berlin sieht eine klar definierte Zielgruppe und eine entsprechende Ausrichtung des Programms als einen wichtigen Faktor. In Zeiten, in denen der Fernsehmarkt immer mehr Angebote für immer differenziertere Publikumsgruppen bereitstelle, sei es "logisch, dass einzelne Spartensender ihren spezifischen Zuschauerkern optimal ansprechen" würden. Generell werde sich das Fernsehverhalten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten grundlegend verändern. Der Trend gehe zum individuellen "Raus-picken" aus einem vielfältigen Angebot. Eine weiter zunehmende "Verspartung" sei abzusehen. "Phoenix liegt in diesem Trend", sagt Mühl-Benninghaus.
Phoenix-Sprecher Jürgen Bremer betont, dass das Programm damit "alle gesellschaftspolitisch interessierten Menschen" ansprechen wolle. Wie bei anderen Sendern mit ähnlichem Programm seien die älteren und formal höher gebildeten Zuschauer jedoch auch bei Phoenix "überproportional vertreten". Nichtsdestotrotz umfasse die Gesamtheit des Publikums alle gesellschaftlichen Schichten.
Zudem habe Phoenix relativ viele junge Zuschauer - mit 54 Jahren sind die Phoenix-Zuschauer durchschnittlich jünger als die von ARD und ZDF. Als Beleg hierfür mag der virtuelle Zusammenschluss Studierender zu der Gruppe "Phoenix Zuschauer" auf der Internet-Plattform "Studiverzeichnis" gelten. Der Sender wird hier unter anderem als "Juwel in der Fernsehlandschaft" gepriesen, dem man durch den Beitritt zur Gruppe die Anerkennung zukommen lassen solle, die er sich über Jahre verdient habe.
Die Wurzeln für die Entstehung von Phoenix liegen in den 1980er-Jahren. Damals hatten sich verschiedene Abgeordnete des Deutschen Bundestages für mehr Transparenz in der politischen Debatte eingesetzt. In den 90er-Jahren machte sich inbesondere die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit stark. Der Impuls kam also aus dem Parlament selbst. ARD und ZDF nahmen ihn auf und einigten sich auf die Gründung eines gemeinsamen Parlamentskanals. Er ging am 7. April 1997 auf Sendung. Der Sender will den Parlamentarismus stärken und Beiträge zur Diskussion über die politische Gestaltung Deutschlands und Europas liefern.
Gegründet wurde Phoenix mit der Intention, dem Zuschauer "ein vertieftes Verständnis von dem, was im politischen Leben passiert" zu ermöglichen, so Jürgen Bremer. Mit diesem Anspruch bietet der Kanal seinem Publikum heute weitaus mehr als die Eins-zu-Eins-Wiedergabe von Plenardebatten und "ältere Herren in dunklen Anzügen". Den Rahmen bilden die beiden Programmschwerpunkte Parlamentarische Berichterstattung und Europäische Einsichten, wobei letzterem bereits durch den Namen des Senders besondere Bedeutung beigemessen wird.
Live-Übertragungen, Dokumentationen, Reportagen sowie Gesprächsrunden bilden den Kern des Angebots. Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf betont, dass Phoenix durch seine vielen "Sprechplätze" auch von politischen Akteuren gern in Anspruch genommen werde. Vor allem Abgeordnete, die normalerweise nicht im Rampenlicht stünden, sähen in dem Sender ein "Mehr an Möglichkeiten", zu Wort zu kommen. Für die Zuschauer ist das die Chance auf ein Mehr an Informationen.