FLUGSICHERUNG
Europäische Vorgaben müssen dringend umgesetzt werden - Experte warnt vor Vertragsverletzungsverfahren
Start frei für Runde zwei: Nachdem Bundespräsident Horst Köhler die Ausfertigung eines ersten Gesetzes zur Privatisierung der Deutschen Flugsicherung (DFS) verweigert hatte, startete vergangene Woche im Bundestag der zweite Anlauf für die Privatisierung. Es besteht dringender Handlungsbedarf - darin sind sich die Fachpolitiker im Verkehrsausschuss mit Joachim Wieland, Professor für öffentliches Recht an der Universität Frankfurt, einig.
Mit dem "Single European Sky" (SES) gebe die EU vor, wie Flugsicherung in den Mitgliedstaaten zu organisieren sei. Momentan allerdings stehe das deutsche Recht im Widerspruch zum Europarecht, erläuterte Wieland am 28. März den Abgeordneten des Verkehrsausschusses. Nach den europäischen Vorgaben des SES, mit denen ein einheitlicher europäischer Luftraum geschaffen werden soll, ist die Flugsicherung eine Dienstleistung und keine hoheitliche Aufgabe, wie in Deutschland. Lediglich der Kernbereich der Verkehrsdienste, beispielsweise die Abwicklung von Starts und Landungen, dürfe demnach noch hoheitlich betrieben werden. Momentan bestehe die Gefahr, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet werden könne. Um die europäischen Vorgaben zu erfüllen, müsse zudem ein Bundesamt für Flugsicherung eingesetzt werden, sagte Wieland.
Dass die Flugsicherung in Artikel 87d in der Verfassung verankert ist, ist nach Aussage von Wieland eine deutsche Besonderheit. Der Grund für die Aufnahme ins Grundgesetz liege im bundesstaatlichen System Deutschlands - andernfalls wären die Länder zuständig. Es handle sich allerdings um "technisches Recht", das eher zufällig in die Verfassung gerutscht sei, versuchte Wieland den Linken und der SPD die Bedenken gegen eine Verfassungsänderung, die er als "notwendig" bezeichnete, zu nehmen. CDU, FDP und Grüne sind einer solchen Änderung gegenüber aufgeschlossen.
Nach Aussage des Experten existieren drei denkbare Modelle zur Privatisierung der DFS: Beim "Verwaltungsmodell" bleibt die DFS als Teil der öffentlichen Verwaltung erhalten, beim "Dienstleistungsmodell" wird die Flugsicherung als Dienstleistung an private Unternehmen übergeben, der Bund übernimmt deren Aufsicht.
Das von ihm selbst entwickelte so genannte "Gefahrenabwehrmodell" sei eine Mischung aus den beiden anderen Modellen, sagte Wieland.