Der Bürokratieabbau hat jetzt ein Gesicht: Johannes Ludewig, früher mal Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Vorstandschef der Deutschen Bahn AG, leitet den Normenkontrollrat. Dieses achtköpfige Gremium war im vergangenen Jahr auf Gesetzesbeschluss eingerichtet worden mit dem Auftrag, Gesetzentwürfe der Bundesregierung auf die zu erwartenden Bürokratiekosten hin zu untersuchen, ehe sie vom Kabinett beschlossen werden.
Ziel ist es, solche Kosten für die Wirtschaft, aber auch für die öffentliche Verwaltung möglichst zu vermeiden. Ludewig und sein Stellvertreter Wolf-Michael Catenhausen, ehemaliger Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, wenden dabei das so genannte Standardkostenmodell zur Bürokratiemessung an, ein Verfahren, das in den Niederlanden bereits mit Erfolg praktiziert wird. Der Normenkontrollrat hat seine Arbeit am 1. Dezember des vergangenen Jahres aufgenommen. Am 28. März präsentierte Ludewig die Bilanz der ersten Monate vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages.
Selbst Politik zu machen, ist nicht die Aufgabe des Gremiums, unterstrich Ludewig. Schon während der Gesetzesberatungen zur Einrichtung des Normenkontrollrates waren Befürchtungen laut geworden, hier könnte sich ein Expertengremium als eine Art Nebenregierung profilieren wollen, indem etwa der Abbau von Arbeitnehmerrechten mit dem Hinweis unter stützt wird, dadurch könnten Bürokratiekosten eingespart werden. Neben der Überprüfung aktueller Gesetzentwürfe gehört es auch zu den Aufgaben des Gremiums, den vorhandenen Gesetzesbestand zu überprüfen. Das Statistische Bundesamt sei dabei, dessen Kosten zu messen, sagte Ludewig. Die wichtigsten Ergebnisse würden bis zum Sommer, die übrigen bis zum Jahresende vorliegen. Im Statistischen Bundesamt werde dazu eine Datenbank aufgebaut, in die auch die jeweils betroffenen Verbände Einblick nehmen könnten.
Inzwischen haben die Bundesministerien nach den Worten Ludewigs die in Gesetzen enthaltenen Informationsverpflichtungen für die Wirtschaft aufgelistet, von denen es etwa 10.000 gebe. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Bürokratiekosten bis zum Jahr 2011 um 25 Prozent zu verringern. Während es ähnliche unabhängige Einrichtungen in Holland, Großbritannien und Dänemark gibt, fehlt etwas Vergleichbares auf der Ebene der Europäischen Union: für Ludewig ein "Schönheitsfehler". Immerhin seien etwa 40 Prozent der deutschen Gesetzgebung durch Vorgaben aus Brüssel determiniert.
Zuletzt hat sich das Gremium intensiv mit dem Regierungsentwurf für die Unternehmensteuerreform 2008 befasst. Aufgefallen ist den Bürokratieprüfern dabei das Vorhaben von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), die Abschaffung der Sofortabschreibung für die Anschaffung geringwertiger Wirtschaftsgüter im Wert von bis 410 Euro zu streichen, eine Regelung für Ausgaben bis zu 100 Euro einzuführen und einen Sammelposten für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten zwischen 100 und 1.000 Euro zu schaffen, der über fünf Jahre abgeschrieben werden kann.
Diese Änderung dient der Gegenfinanzierung der Reform und soll zu einmaligen Mehreinnahmen von 905 Millionen Euro führen. Diesem "Einmaleffekt", so Ludewig, stünden aber auf Dauer jährliche Bürokratiekos-ten für die betroffenen Unternehmen von 180 Millionen Euro gegenüber. Ludewig sprach hier von einem "Missverhältnis" und bat die Regierung, nach Alternativen zu suchen. Durch den erweiterten Bereich der Sammelabschreibung seien mehr kleinere Unternehmen betroffen, die dadurch einen höheren Aufwand hätten.
Seit Dezember hat der Normenkontrollrat 45 von insgesamt 75 Gesetzen geprüft. Die Gesamtentlastung aufgrund der Vorschläge des Normenkontrollrats liege dabei bei 200 Millionen Euro.