Untersuchungsauschuss
Das PKG wusste Bescheid
Die Situation ist delikat, und vor dem Sitzungssaal fühlt sich der im Untersuchungsausschuss stets als hartnäckiger Aufklärer agierende Hans-Christian Ströbele von den Grünen im Kreis der Journalisten sichtlich unwohl. Eher en passant hatte zuvor der jetzige Justiz- und frühere Innenstaatssekretär Lutz Diwell als Zeuge erwähnt, dass das mit der Geheimdienstaufsicht befasste Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags bereits im Dezember 2003 über den Fall des fälschlicherweise unter Terrorverdacht geratenen Murat Kurnaz informiert worden ist.
Warum, wird Ströbele gelöchert, habe er sich nicht schon so wie heute in dieser Affäre engagiert? Wurde die Brisanz des Falls nicht gesehen? Oder wurde das PKG nur unzureichend, vielleicht irreführend unterrichtet? Ströbele bedauert, dass er wegen der Geheimhaltungspflicht im PKG nichts über dessen Beratungen sagen dürfe. Wenn man, klagt er, der Öffentlichkeit doch nur die Zusammenhänge erläutern könnte.
Die Vernehmung Diwells sowie des früheren Außenamts-Staatssekretärs Jürgen Chrobog und des ehemaligen Justiz-Staatssekretärs Hansjörg Geiger hält noch mehr Überraschendes parat. So spricht Geiger davon, dass es im Herbst 2002 ein Angebot der USA zur Entlassung von Kurnaz in die Bundesrepublik gegeben habe. Diese Offerte sei allerdings an die inakzeptable Bedingung geknüpft gewesen, den in Bremen aufgewachsenen Türken umfassend zu überwachen und als Spitzel in das Islamistenmilieu einzuschleusen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und die Geheimdienstspitzen hatten vor dem Ausschuss erklärt, im Oktober 2002 sei nur aufgrund vager Hinweise über eine eventuelle Freilassung einer größeren Anzahl von Guantanamo-Häftlingen und damit möglicherweise auch von Kurnaz eine Einreisesperre gegen den als "Gefährder" eingestuften Türken verfügt worden. Diwell sagt jetzt, erst ab Ende 2005 habe sich in Washington die Entlassung des Bremers abgezeichnet.
Ein anderes Novum: Laut Diwell ließ Ankara keine Bereitschaft erkennen, Kurnaz aufzunehmen. Steinmeier und andere Regierungsvertreter hatten betont, die Einreise-sperre habe dessen Haft nicht verlängert, da er ja in die Türkei hätte gehen können. Steinmeiers Position, so Max Stadler (FDP), sei "in einem wichtigen Punkt ins Wanken geraten".