Schulprojekt
Hessen bringt Schulleiter und Manager zusammen. Sie sollen voneinander lernen. Aber funktioniert das auch?
Deutschlands Schulen sollen mehr Eigenverantwortung bekommen. Nach PISA ist dies ein Paradigmenwechsel mit weitreichenden Konsequenzen für Schulleiter und Schulleiterinnent. Ihre Stellung als "Primus inter Pares" -also Erste unter Gleichen - gehört nach den Worten von Hessens Kultusministerin Karin Wolff der Vergangenheit an. Managementqualitäten sind gefragt.
Deswegen bringt das Projekt "Partners in Leadership" in Hessen Schulleiter und Manager zusammen. Ein Blick über den Tellerrand soll den Rektorinnen und Rektoren mehr unternehmerisches Know-How verschaffen und ihren Partnern aus der Wirtschaft neue Perspektiven für die eigene Arbeit eröffnen.
"Wir machen ja hier manchmal einen etwas trockenen Job", erzählt Gerhard Heinz. "Mit ,Partners in Leadership' bot sich mir ein ganz handfestes Projekt." Heinz ist Partner bei der KPMG, einem der größten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen weltweit.
"Der Gesellschaft etwas zurück geben" war eines seiner Motive, um in die Welt der Schule einzutauchen. 25 Manager von der Deutschen Bank und der KPMG sowie 25 Schulleiter aus der Rhein-Main-Region hatten sich bis Februar 2007 für zehn Monate zu Paaren gefunden, um ihren beruflichen Horizont zu erweitern und "auf Augenhöhe" ihre Erfahrungen in Leitungsfunktionen auszutauschen. 23 Paare setzen diesen Kontakt jenseits des Projektes fort. Gerade hat die zweite Runde begonnen, an der sich nun auch die Deutsche Bahn, Siemens und Procter&Gamble beteiligen.
"Mit diesem Projekt haben wir offenbar den Nerv der Zeit getroffen und dauerhafte Gespräche in Gang gesetzt", bilanziert Dieter Weidemann, Präsident der Vereinigung der hessischen Unterverbände, deren Arbeitsgemeinschaft SchuleWirtschaft die Federführung für "Partners in Leadership" hat. Die Umwandlung von Schulen in "Kleinunternehmen" mit Profilbildung, Zielvereinbarungen, Finanzplanung und Rechenschaftslegung auf der einen Seite und die Suche nach mehr gesellschaftlicher Akzeptanz für wirtschaftliche Entscheidungen in Zeiten der Globalisierung andererseits bilden in Weidemanns Augen den Handlungsrahmen für die im Einzelfall ganz unterschiedlich gestaltete Zusammenarbeit zwischen Schulleitern und Managern.
Sechsmal haben sich beispielsweise Karoline von Richthofen, bei der Deutschen Bank verantwortlich für den Bereich Produktmanagement, und Angela Hachmann, Rektorin der Frankfurter Georg-August-Zinn-Schule getroffen. Die Leiterin einer Gesamtschule mit Schülern aus 53 Nationen verbrachte einen ganzen Arbeitstag in der Deutschen Bank, von Richthofen gab eine Stunde Unterricht im Fach Wirtschaftslehre und brachte Neuntklässlern den bargeldlosen Zahlungsverkehr näher.
Für die zehnmonatige Projektphase setzten sich die beiden Frauen die Schwerpunkte Budgetierung und Finanzverwaltung sowie Zielvereinbarungen und Mitarbeiterführer und stellten fest, dass ihre Situation gar nicht so unterschiedlich ist.
"Sie können nichts eins zu eins übernehmen. Es werden immer Anpassungen notwendig sein", sagt Hachmann zwar. Dennoch hat die 59-Jährige nicht nur von den in der Deutschen Bank fest etablierten Prozessen bei der Finanzplanung profitiert, sondern auch gelernt, dass man beispielsweise bei der Umsetzung von Zielvereinbarungen nicht unbedingt den sonst im Schulbetrieb üblichen weiten Spielraum lassen muss: "In der Wirtschaft werden die Schritte zum Ziel viel detaillierter geplant", hat die Rektorin festgestellt und sich für weitere Projekte mehr Feinabstimmung und eine engere Tuchfühlung zwischen Schulleitung und Kollegium vorgenommen. 48 Mitarbeiter hat Hachmann, von Richthofen in ihrer Abteilung vier bis fünf. Kein Wunder also, dass in der Wirtschaft fest etablierte Mitarbeitergespräche sich in der Schule schwierig gestalten: "Wenn ich mit dem letzten fertig bin", sagt Hachmann, "fange ich vorne wieder an."
Einen eher "kooperativen und demokratischen" Führungsstil hat von Richthofen an der Schule vorgefunden und festgestellt, dass Mitarbeitermotivation hier hauptsächlich über Überzeugungskraft läuft und Schulleiter wenig Anreizmechanismen zur Verfügung haben um die Kollegen zu mobilisieren: "Auch die Weisungsbefugnis geht nicht sehr weit", findet von Richthofen mit Blick auf Schulkonferenzen, Gesamtkonferenzen und andere Gremien, in denen viel mehr diskutiert wird als in der freien Wirtschaft. "Die endgültige Ansage ,So wird es jetzt gemacht!' ist an der Schule undenkbar."
Neue Impulse für den Umgang mit ihren Leuten hat die Deutsche Bank-Managerin mitgenommen und das Projekt als "persönliche Bereicherung" empfunden. Sie und Hachmann wollen auch weiter im lockeren Dialog bleiben.
Vor ganz andere Herausforderungen sahen sich Gerhard Heinz und die Realschuldirektorin Michaela Eder gestellt. Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Personalführung sollten im Mittelpunkt ihrer Zusammenarbeit stehen. Angesichts der neuen Aufgabenbereiche, mit denen Schulleiter sich auseinander setzen müssen, fand die gelernte Betriebswirtin es nur vernünftig, ihre Fühler in Richtung Wirtschaft auszustrecken.
Mit einer Menge Ideen in der Tasche kam Heinz bei Eder an, um dann zu erfahren, dass die Realschule im Frankfurter Nordend wegen rückläufiger Schülerzahlen kurz vor dem Aus stand. "Plötzlich war das Thema: wie retten wir diese Schule?" Also entwarfen Eder und Heintz ein Konzept, um die Schule mit ihrem 80-prozentigen Migrantenanteil neu zu positionieren und attraktiver zu machen. "Beruf und Bildung unter einem Dach" lautete schließlich das Motto für eine Zusammenarbeit mit der auf dem gleichen Areal gelegenen Berufsschule.
Die Projekt-Präsentation verlief mit Reader und Powerpoint-Vortrag für das staatliche Schulamt ungewohnt professionell und am Ende erfolgreich. Die Bornheimer Realschule gibt es immer noch und Eder hat auch für ihre neue Stelle als Rektorin einer katholischen Privatschule einiges in Sachen Projektmanagement mitnehmen können. Sie weiß jetzt, wie sie die notwendigen Leute ins Boot bekommt und wie man sich in der Schulbürokratie nicht verzettelt. Für seinen Beruf konnte ihr Partner zwar unmittelbar nichts dazulernen, "aber ich hatte das gute Gefühl etwas sinnvolles gemacht zu haben", sagt der 43-jährige Heinz im Rückblick.
Keine wirkliche Handlungsfreiheit hätten Deutschlands Rektoren, kritisiert der Wirtschaftsprüfer allerdings. "Die Limitationen in öffentlich-rechtlichen Strukturen sind aus einer Managementperspektive frustrierend." Die Botschaft ist inzischen auch in der Politik angekommen. Um die rund 2.000 hessischen Schulleiter besser auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten, schwebt Ministerpräsident Roland Koch ein völlig neues Berufsbild vor. Schulleitung solle, so der Regierungschef, zu einem eigenständigen Beruf als Schulmanager mit weitreichenden Kompetenzen und weitgehender Freistellung vom Unterricht werden. Zudem will Koch bürokratische Hürden auch im Schulwesen abbauen.
Der Ministerpräsident und seine Kultusministerin verweisen auf Experten aus dem Ausland, wie den Schweizer Rolf Dubs, der für Schulleitungen plädiert, die eben "Leadership" zeigen. Schule mit mehr Selbstständigkeit, so der Professor aus Sankt Gallen, könne man nicht am Runden Tisch führen. Mehr Geld und mehr Zeit fordert die Chefin des Hageveld-College im niederländischen Heemstede, Wille Straathof. Zeit für Unterricht ist in ihrem Konzept nicht mehr vorgesehen.
"Schulen sind keine Wirtschaftsunternehmen, Lehrer keine Fließbandarbeiter, Schüler keine planbaren Produkte und Schulleiter keine Firmenmanager", betont Karin Wolff zwar. Dennoch will die CDU-Politikerin die Vorschläge der Experten aufgreifen und den Rektorenjob weiter "professionalisieren".
So denkt Wolff darüber nach, die Leitungszeiten auszuweiten, den Rektorinnen und Rektoren Verwaltungspersonal an die Seite zu stellen, die Schulleitungen höher zu besolden, ihre Vorgesetztenfunktion zu stärken und Qualifikationsmaßnahmen stärker zu fördern. Auch "Partners in Leadership" ist beim hessischen Institut für Qualitätsentwicklung als Fortbildungsveranstaltung akkreditiert. Projekte wie dieses hält die Ministerin für einen "ausgesprochen positiven Beitrag" zu ihrer schulpolitischen Linie.