Raketenabwehr
Mehrheit der Tschechen ist dagegen
Der Besuch von US-Präsident George W. Bush in Prag hat die tschechische Debatte um das geplante Raketen-Abwehrsystem weiter angeheizt. Premierminister Mirek Topolánek von der bürgerlichen Partei ODS hat zwar seine Zustimmung zur Stationierung einer amerikanischen Radarbasis in Tschechien signalisiert; es ist aber offen, ob er dafür eine Mehrheit im Parlament findet. Die entscheidende Rolle spielen die ebenfalls an der Regierung beteiligten Grünen, die noch um eine gemeinsame Position ringen. Nach aktuellen Meinungsumfragen sprechen sich 60 Prozent der Tschechen gegen das Verteidigungssystem aus.
Die geplante Radarstation soll ein Teil des weltumspannenden Raketenabwehr-Schildes sein, den das US-Militär zum Schutz vor terroristischen Angriffen errichten will. Ein weiterer Bestandteil des Abwehrsystems soll in Polen aufgebaut werden.
Bei seinem Staatsbesuch in Prag vor einer Woche umwarb Bush besonders den sozialdemokratischen Oppositionsführer Jiri Paroubek. Mit ihm verhandelte er unter vier Augen, während er mit Regierungschef Topolánek und Präsident Václav Klaus bei einem gemeinsamen Termin zusammentraf. Die Sozialdemokraten sind gegen das amerikanische Verteidigungssystem. Sie könnten wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus bei einer Entscheidung die Schlüsselrolle spielen.
Besonders umtritten ist die Radarstation bei den Grünen. Politologen sehen dabei eine Parallele zu den deutschen Grünen, die bei der Diskussion um den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr ebenfalls in den Konflikt zwischen Regierungsverantwortung und Parteibasis geraten sind. Nach einem Vorstandsbeschluss bestehen die Grünen auf einer Einbettung des Raketenabwehrsystems in die Nato-Sicherheitsstrategie, äußern aber keine prinzipiellen Bedenken gegen das Radar. Einer innerparteilichen Gruppierung geht das allerdings nicht weit genug, sie fordert eine generelle Ablehung des amerikanischen Ansinnens. Der Streit ist eskaliert, nachdem ein prominentes Vorstandsmitglied der Grünen bei einer Großdemonstration gegen die Radaranlage eine Rede gehalten hat. Nach Ansicht der Parteispitze hat er damit gegen sein Mandat verstoßen.
Indes haben bereits die Verhandlungen über mögliche Gegenleistungen für eine Zustimmung zum Radar begonnen. Als zentrale Frage gilt die Abschaffung der Visa-Pflicht für tschechische Staatsbürger bei der Einreise in die USA. Staatspräsident Klaus sagte, eine Aufhebung der Pflicht könne dem Ansehen der USA in Tschechien sehr dienlich sein. Premierminister Topolánek wies allerdings zurück, dass es einen Zusammenhang zwischen der Visa-Politik und der Entscheidung über das Radar gebe. Beim Gespräch mit Bush forderte er stattdessen eine engere Zusammenarbeit in wirtschaftlichen und technologischen Fragen.