Der Himmel verdüstert sich. Die Wipfel der Bäume biegen sich im Wind. Sekunden später geht auf die Sandsteinplatten vor dem Reichstag ein Platzregen nieder. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler blickt aus dem Fenster. Kurz. Ungerührt: "Ach ja, das hatten wir schon immer", sagt sie und hängt ihr Jackett über den Stuhl. "Für Weltuntergangsstimmung gibt es keinen Grund."
Die Vorsitzende des Ausschuss für Tourismus hat in den vergangenen Monaten oft von den schädlichen Auswirkungen des Tourismus auf das Klima gehört. Gerade erst haben bei einer Anhörung erneut einige Fachleute Katastrophenszenarien beschworen und waren so weit gegangen, das Fliegen einschränken zu wollen. Ist ein Verbot der richtige Weg? "Nein, so wie man den Leuten nicht das Essen verbieten kann, kann man ihnen auch nicht das Reisen verbieten", sagt die Fränkin.
Eben hat sie noch mit ihrem Perlenarmband gespielt, jetzt ballt sie eine Hand zur Faust und legt richtig los: Es sei doch wohl auch eine soziale Errungenschaft, dass die Leberkäseetage genauso fliegen könnte wie die Kaviarklasse. Man müsse sich auch mal fragen, was es für die Entwicklungsländer bedeuten würde, wenn die den Tourismussektor verlieren würde. Und dann sagt sie noch: "Wer die Welt anschaut, der verändert seine Weltanschauung."
Die 51-Jährige selbst kennt sich aus mit dem Klima, der Natur. Marlene Mortler ist von Haus aus Bäuerin. Als Kind ist sie "in den Hopfen gegangen", bis heute hilft sie ihrem Mann und ältesten Sohn bei der Weizenernte. Stolz deutet sie auf eine an der Wand hängende Zeichnung, auf dem der Hof in Dehnberg bei Nürnberg zu sehen ist. Der "Großen-Bauer", so der Name des stattlichen Familienbesitzes, der zwischen Kirche und Wirtschaft in dem 250-Seelen-Dorf liegt, ist auch ihr Wahlkreisbüro: "Die Leut kommen einfach so vorbei und steh'n in der Küch'n."
Marlene Mortler kommt aus einer politischen Familie; anders als in Bayern auf dem Land meist üblich, keine typische CSU-Familie. Der Großvater wählte liberal. Der Vater, der Bürgermeister war und "Sheriff" genannt wurde, war bei den Freien Wählern. Ihr Zwillingsbruder hat in der vergangenen Legislaturperiode für die Bundestagsfraktion der Grünen gearbeitet. "Ich bin jemand, der andere Meinungen gelten lässt", sagt die Politikerin. Trotzdem weiß sie, was sie will.
Als Frau im konservativ geprägten Bayern der frühen 1980er-Jahre war es nicht üblich, für ein Amt zu kandidieren. Als sie überraschend zur Ersten Landfrau auf Kreisebene gewählt wurde, haben die anderen Frauen erst mal gesagt: "Jetzt hast' ein Problem. Das musst erst mal den Deinen erklären", erinnert sie sich. Da "die Mortlerin", wie sie in ihrer Heimat genannt wird, sich gut machte, wurde sie 1996 stellvertretende Landrätin. Als 2002 im Bundestag überraschend ein Mandat frei wurde, waren sich die Parteispitzen schnell einig: "Die Marlene macht's."
Und wie ist es als Frau in der CSU? "Man muss den Männern erst mal die Kante zeigen", sagt sie und lacht verschmitzt. "Dann hast deine Ruh'." Geschützt und gefördert haben "die Mortlerin" immer ihre guten Beziehungen und ihre gradlinige Art.
Die Mutter von drei Kindern redet nicht lange herum, sondern handelt. Das schätzen ihre Parteikollegen und auch das Wahlvolk. Sie gewann ihren Wahlkreis Roth als Direktkandidatin. Als dort die Borkenkäferplage ausbrach, wartete Marlene Mortler nicht lange, bis sie zum Telefon griff. Über "gute Beziehungen" in Berlin organisierte sie flugs, dass auch vorübergehend Langlaster mit höherer Tonnage in den Wald fahren durften, um das befallene Holz schnell aus dem Wald zu holen.
Dass Marlene Mortler - die erste Ausschussvorsitzende in der Geschichte der CSU-Landesgruppen - für Menschen außerhalb ihrer eigenen Reihen kein Name ist, liegt weniger an ihr als an der Partei selbst. Strategisch wichtige Posten teilen immer noch die Platzhirsche unter sich auf. Aber die Geschichte von Marlene Mortler ist noch nicht zu Ende geschrieben. Denn auch in der CSU ändern sich die Zeiten - und eine gestandene Bäuerin weiß, wann man die Ernte in die Scheuer holt.