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Vier Richter halten das Mandat für einen Vollzeitjob
"Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem - und in welcher Größenordnung - seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegen nehmen." So lautete das klare Votum der vier Verfassungsrichter, die sich für eine Klageabweisung ausgesprochen hatten: Siegfried Broß, Lerke Osterloh, Gertrude Lübbe-Wolff und Michael Gerhardt.
Sie sind der Ansicht, dass die Parlamentariertätigkeit ein vollwertiger Beruf ist - für dessen Ausübung die Abgeordneten mit den gezahlten Diäten auch angemessen vergütet werden: "Nur der Umstand, dass die Abgeordneten bei pflichtgemäßer Wahrnehmung ihres Mandats auch zeitlich in einem Umfang in Anspruch genommen sind, der es in der Regel unmöglich macht, daneben den Lebensunterhalt anderweitig zu bestreiten, rechtfertigt den Anspruch, dass ihnen ein voller Lebensunterhalt aus Steuermitteln, die die Bürger aufbringen, finanziert wird."
Die vier Richter wollen den Abgeordneten nicht verbieten, neben ihrem Mandat auch weiterhin ihren bisherigen Beruf auszuüben, sie halten aber fest, dass "die parlamentarische Demokratie einer höchst komplizierten Wirtschafts- und Industriegesellschaft" von den Parlamentariern "mehr als nur eine ehrenamtliche Nebentätigkeit" verlangt. Sie halten fest, dass mit der durch das Grundgesetz garantierten Freiheit des Mandats "nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten" verbunden sind - unter anderem die, dass die Abgeordneten in einer Weise und einem Umfang an den parlamentarischen Aufgaben teilnehmen, "die deren Erfüllung gewährleistet".
Die Richter widersprechen der Ansicht der neun Kläger, dass freiberuflich oder unternehmerisch tätige Abgeordnete in besonderer Weise dem verfassungsrechtlichen Leitbild des unabhängigen Abgeordneten entsprächen: Dies sei eine Annahme "ohne tragfähige Grundlage". Das Grundgesetz bestimme den Abgeordneten "zum Vertreter des ganzen Volkes" und erkläre ihn in dieser Eigenschaft für "weisungsfrei und nur seinem Gewissen unterworfen". Damit sei er auch unabhängig von Interessengruppen, die "ihre Sonderinteressen im Parlament mit Anreizen durchzusetzen suchen, die sich an das finanzielle Eigeninteresse von Abgeordneten wenden". Davon unabhängig zu bleiben habe "besonders hohes Gewicht". Gerade von den vielfältigen Möglichkeiten, für die außerhalb des Mandats ausgeübte Berufstätigkeit politischen Einfluss durch das Mandat "gewinnbringend zu nutzen", gingen Gefahren für die Mandatsausübung aus.
Auch die Kritik der Kläger an den Anzeige- und Veröffentlichungspflichten wurde von den vier Richtern als unbegründet zurückgewiesen: Die Transparenzregelungen sollten es den Wählern ermöglichen, sich mit Hilfe von "Informationen über mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten" ein besseres Urteil über die Wahrnehmung des Mandats durch den Abgeordneten bilden zu können. Für die Richter ist das Interesse der Parlamentarier, Informationen aus ihrer beruflichen Sphäre vertraulich zu behandeln "grundsätzlich nachrangig" gegenüber dem öffentlichen Interesse an der "Erkennbarkeit möglicher Interessenverknüpfungen der Mitglieder des Deutschen Bundestags". Die Anzeigepflichten seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.