Pharma
Jacky Laws Buch über das große Geschäft mit der Krankheit überzeugt nur teilweise
Was immer Sie Böses über die Pharmaindustrie gedacht haben, hier finden Sie es bestätigt: Die britische Wissenschaftsjournalistin Jacky Law belegt in ihrem Werk "Big Pharma. Das internationale Geschäft mit der Krankheit" wortreich genau das, was sie belegen wollte, nämlich, dass es der Pharmaindustrie nur um eines geht: Profitmaximierung. Zu deren Methoden gehört die Vertuschung von Nebenwirkungen, aggressives Marketing und die Vereinnahmung von Ärzten - für all dies führt Law, die sich seit 25 Jahren mit dem Gesundheitswesen befasst, Beispiele insbesondere aus dem englischen Sprachraum an.
Grauabstufungen indes sind nicht ihr Ding. Sie will die klare Kante, Schwarz und Weiß sauber trennen. Es spricht für Law, dass sie daraus keinen Hehl macht. Ziel ihres Buches sei nicht, die "glänzenden Errungenschaften" der Medikamentenmedizin zu feiern, schreibt sie, "sondern zu untersuchen, wie das Geschäft mit Medikamenten funktioniert und wie es sich umsteuern ließe, damit die Allgemeinheit, um deren Geld es dabei geht, mehr Nutzen daraus zieht".
Das Buch kann - sieht man über den bisweilen anstrengenden plakativen Stil hinweg - durchaus einen Erkenntnisgewinn über die Funktionsweise der Branche bringen. Damit erfüllt Law zumindest Punkt eins ihres selbst gesteckten Ziels. Erhellend ist etwa ihr Überblick zu den Wirkungen der Megafusionen am Pharmamarkt beginnend mit dem Zusammenschluss der Schweizer Unternehmen Ciba und Sandoz, aus dem 1996 das drittgrößte Pharmaunternehmen der Welt, Novartis, hervorging.
Auch das von ihr identifizierte Grundproblem der Branche erklärt die Autorin schlüssig: den Druck, Umsatz- und Gewinnniveau zu halten oder zu steigern, obwohl die Zahl wirklicher Medikamenteninnovationen abnimmt und öffentliche Budgets an ihre Grenzen gelangen. "Kein anderer Industriezweig bietet für die Gewinne, die er einstreicht, solch bescheidene Nutzeffekte an", betont Law.
Ihre Thesen unterfüttert sie mit zahlreichen Fakten. Die zehn größten Pharmaunternehmen zusammen - an der Spitze Viagra-Hersteller Pfizer - erzielten danach im Jahr 2004 mit verschreibungspflichtigen Medikamenten einen Umsatz von 205 Milliarden Euro. Während die weltweiten Ausgaben für pharmazeutische Produkte Anfang der 1970er-Jahre noch bei 20 Milliarden Dollar gelegen hätten, seien es 2004 schon 500 Milliarden Dollar gewesen. Dagegen habe die Zahl von neuen molekularen Wirksubstanzen, so Law weiter, 2004 mit 23 einen Tiefpunkt erreicht, sodass die Innovationskraft der Branche im umgekehrten Verhältnis zu den Kos-ten zu stehen scheine.
Neben tatsächlich gestiegenen Entwicklungskosten für Medikamente etwa zur Krebsbehandlung kennzeichnet Law die enorm hohen Marketingausgaben als Ursache für die Kostenexplosion. Sie schätzt, dass die Pharmaindustrie 2004 rund 70 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung sowie 155 Milliarden Euro für Marketing und Verwaltung ausgegeben hat und 90 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftete. Diese Zahlen sind ohne Frage beeindru-ckend, haben aber den Makel, dass sie wiederum nur von Schätzungen in einem anderen Buch, "Der Pharma-Bluff" von Marcia Angell, abgeleitet sind. Ohnehin greift Law auffallend häufig auf die von der früheren Chefredakteurin des "New England Journal of Medicine" recherchierten Fakten und Beispiele zurück.
Relativ unausgegoren wirkt Laws Zukunftsvision, dem zweiten expliziten Ziel ihres Buches. Um die Wirkungsmacht der Pharmariesen zur durchbrechen, setzt sie auf den autonomen Patienten. Nun ja. Einen wesentlichen Grund, warum das ihr Wunschtraum bleiben wird, hat Law selbst gegeben: "Die beherrschende Rolle, die Pharmaunternehmen heute in den Entscheidungsprozessen des Gesundheitswesens spielen, verdankt sie nicht zuletzt unserer Bequemlichkeit."
Big Pharma. Das internationale Geschäft mit der Krankheit.
Patmos Verlag, Düsseldorf 2007; 327 S., 24,90 ¤