Die Welt der Reichen
Thomas Druyen plädiert für eine neue Vermögenskultur
Nein, dem Goldkind Paris Hilton und ihrer Entourage begegnen wir in diesem Buch über die Welt der Superreichen nicht. Allenfalls am Rande streift Thomas Druyen diese Welt des schönen Scheins - gewissermaßen als Gegenbild. Seine Goldkinder haben die Frage nach dem guten Leben in der richtigen Weise gestellt: "Sie zeigt, was wir vermögen, wenn wir wissen, was wir wollen." Schon den Goldkindern aus den Grimmschen Märchen war es nicht genug, zu erben und zu herrschen.
Bevor Druyen seine Forderung nach einer "Vermögenskultur" vorträgt, bietet er dem Leser eine Sammlung trefflich formulierter Essays zum Lebensalltag in unserer Gesellschaft - und die haben natürlich viel mit dem Thema "Geld als Brecheisen der Macht" (Nietzsche), mit Neid und mit typischen Merkmalen der Beziehungen zwischen Reich und Arm zu tun.
Die Attraktivität des Reichtums ist allgegenwärtig. Reichtum suggeriert die Erfüllung aller Wünsche und auf die Welt der Schönen, Reichen und Berühmten mit ihren oberflächlichen Lebensansprüchen richtet sich vielfältiger Neid - und der liegt mit den Worten Druyens auf "unserem Alltag wie Lametta auf dem Tannenbaum".
Über die wirklich Reichen ist wenig bekannt. Der Autor, Lehrstuhlinhaber für vergleichende Vermögenskultur an der Sigmund Freud Privat-Universität in Wien, bietet als Resultat seiner Recherchen Einblicke in weitgehend unbekannte Welten. Zwar gibt es unter den etwa 800 Milliardären weltweit natürlich auch zahlreiche Erben und Besitzende mit der "Schau her, was wir haben"-Attitüde. Aber wirklich "vermögend" zu sein, ist doch wohl etwas anderes. Hier setzt der Soziologe mit seinen Überlegungen an, Vermögen im Sinne von Chancen zu definieren, die genutzt werden wollen und die Gesellschaft verantwortungsvoll weiterbringen. Er sprach mit zahlreichen Unternehmern und Managern, die sich nicht mit dem "neuen Leitbild einer Heuschrecke arrangieren wollten". Sie gründen Universitäten, betreiben ökologischen Obstanbau oder bauen in Afrika Krankenhäuser.
Im Zeichen immer geringer werdenden Mittel zur Finanzierung von Kultur, Bildung und Gesundheit ist Umdenken als Zukunftschance für Druyen das Gebot der Stunde: "(...) ohne Privatinitiativen wird es unmöglich sein, zum Beispiel Universitäten zukunftsfähig zu machen".
Auch wenn der Autor als herausragende Beispiele die Namen derer nennt, die als Superreiche Verantwortung für die Gesellschaft übernommen haben -Bill Gates und Warren Buffet in den USA, SAP-Gründer Dietmar Hopp und den Kaffeeröster Johann Jacobs in Deutschland - ist für ihn der Begriff des Vermögens eher eine Kategorie des Wollens und Könnens, nicht unbedingt des Besitzes. Die von ihm geforderte Vermögenskultur ist deshalb nicht allein Sache der Superreichen: Sie "folgt der Überzeugung, dass jeder einzelne Mensch die Verpflichtung besitzt, sein persönliches Vermögen nutzbringend anzuwenden." Und: "Es gibt kein größeres Geschenk, als Menschen das tun zu lassen, was sie wirklich wollen" - das ist wohl die eigentliche Botschaft seines Buches.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Jenseits eines philanthropischen Engagements geht es Droyen um eine Gesellschaft, die sich von ethischer Verantwortung leiten lässt. Er stellt zentrale Vermögenspotenziale wie Alter, Familie, Kinder, Generation und Politik vor und leitet die "Geburt einer Wissenschaft" ein: Im Zentrum der Vermögensforschung steht die Suche nach Vermögenspotentialen - seien es Reichtum, Alter oder Können.
Thomas Druyen gibt in seinem Buch ebenso interessante wie überzeugende Anregungen und Antworten auf viele Fragen unserer Zeit. Goldkinder - das sind die, die Vermögen im Verständnis des Autors als Chance für die eigene Zukunft und die der Gesellschaft begriffen haben.
Goldkinder. Die Welt des Vermögens.
Murmann Verlag, Hamburg 2007, 240 S., 22,50 ¤