Landesbanken
Vorgänge um Sachsen LB und WestLB beflügeln das Fusionsfieber
Einen hat die Krise schon erwischt: Die gigantischen Fehlkalkulationen der sächsischen Landesbank auf dem internationalen Markt mit luschigen US-Hypothekenkrediten und der Notverkauf der Sachsen LB an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zwangen CDU-Finanzminister Horst Metz zum Rücktritt. Inzwischen steht sogar Georg Milbradt unter Druck. In Dresden wurde schon diskutiert, ob der Regierungschef den für vergangenes Wochenende einberufenen CDU-Parteitag wohl politisch überstehen würde - oder ob er wegen einer allzu knappen Wiederwahl zum Vorsitzenden der Sachsen-Union vielleicht als Ministerpräsident das Handtuch werfen müsse.
Die Verwerfungen am Elbufer, zu denen auch die Entlassung des gesamten Vorstands der Sachsen LB und staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen gehören, sind jedoch nur Aufwallungen im Schatten eines ganz großen Rads, an dem derzeit viele Mitspieler drehen: Das Debakel der Sachsen LB sowie die Übernahmeschlacht um die WestLB, die ihrerseits beim Handel mit Wertpapieren satte 600 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat, lassen eine Neuordnung der Landesbanken an Fahrt gewinnen. Die Vision des Stuttgarter FDP-Wirtschaftsministers Ernst Pfister: Von den Landesbanken werde es "am Ende noch eine, vielleicht zwei oder drei geben. Es ist wünschenswert, dass die LBBW zum Nukleus für eine zukünftige Bank deutscher Länder wird".
Kommentatoren orakeln, LBBW-Chef Siegfried Jaschinski habe bereits einen nationalen Champion auf Augenhöhe mit der Deutschen Bank im Visier. Die Übernahme der Sachsen LB durch die reichen Schwaben für einen eher bescheiden anmutenden Kaufpreis zwischen 300 und 800 Millionen Euro, so CDU-Regierungschef Günther Oettinger, schien ebenso wie die Krise um die ebenfalls auf dem US-Hypothekenmarkt gestrauchelte und durch eine Milliardenspritze eines Bankenpools gerettete Mittelstandsbank IKB zunächst nicht mehr zu sein als die Fernwirkung des durch den Zusammenbruch von US-Immobilienkrediten ausgelösten internationalen Finanz-Crashs. Die Soforthilfe von 250 Millionen Euro für das kleine ostdeutsche Institut steckt die LBBW, mit 428 Milliarden Euro Bilanzsumme Nummer eins unter den Landesinstituten und Nummer fünf unter allen Banken, locker weg.
Doch der Streit über das Desaster der Sachsen, deren irische Dependance anscheinend recht eigenmächtig in der Welt des globalen Gelds agieren konnte und die den Absturz der Bank verursacht hat, beflügelt die Debatte um Fusionen bei den Landesbanken. Das Problem benennt Bundesfinanzminis-ter Peer Steinbrück: Bei 2.200 Kreditinstituten würden die Gewinnmargen erheblich unter Druck gesetzt, was manche Banken zu riskanten Abenteuern verleite. Man müsse jedoch die Kompetenz haben, um auf dem Finanzmarkt mit hoch komplizierten Produkten umgehen zu können: "IKB und Sachsen LB hatten dieses Know-how offenbar nicht." Banken, fordert der SPD-Politiker, dürften Aktivitäten nicht außerhalb der Bilanzen in Zweckgesellschaften auf der ganzen Welt auslagern. Vorwürfe sind auch von Josef Ackermann zu hören: "Dies ist vor allem ein Versäumnis des Managements dieser Häuser", kommentiert der Chef der Deutschen Bank die Krise um IKB und Sachsen LB. Was diese Schelte leicht vergessen macht: Bei den IKB-Geschäften haben auch Investmentbanker aus Ackermanns Institut mitgemischt.
Diskutiert wird über die Bankenaufsicht, die bei der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) liegt: Man habe den Eindruck, "dass jede kleine Kreditgenossenschaft auf dem Land schärfer kontrolliert wird als mancher größere Marktteilnehmer, der mit völlig überzogenen Renditeerwartungen hantiert", klagt Walter Weinkauf, Präsident der hessischen, rheinland-pfälzischen, saarländischen, sächsischen und thüringischen Volks- und Raiffeisenbanken.
CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos plädiert für eine Aufwertung der Frankfurter Währungshüter: "Wir sollten noch mehr auf die Expertise der Bundesbank setzen." Steinbrück hingegen bleibt gegenüber einer solchen Neuordnung auf Distanz. Momentan wird an einer Reform der BaFin gearbeitet. Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim fordert, Politikern in Aufsichtsgremien der Landesbanken Fachleute zur Seite zu stellen.
Es gilt als offen, wie der Konzentrationsprozess bei den Landesbanken enden wird, die traditionell als Zentralbanken der Sparkassen deren Bindeglied zur großen Finanzwelt sind. Eine Vorentscheidung fällt beim Poker um die WestLB, die trotz der 600-Millionen-Fehlspekulation und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen die inzwischen geschasste Führungsriege um Ex-Chef Thomas Fischer offenkundig ein begehrtes Kaufobjekt ist. Schon heute existieren im Grunde nur noch acht statt nominell elf Landesbanken. Die Landesbank Rheinland-Pfalz gehört komplett der LBBW, die Bremer LB ist zu 92,5 Prozent im Besitz der NordLB, über die SaarLB gebietet mit 75,1 Prozent die Bayern LB. Beim Kampf um den 38-Prozent-Anteil des Landes Nordrhein-Westfalen an der WestLB scheint die profitable LBBW die besten Karten zu haben.
Eine solche Fusion würde das neue Institut mit einer Bilanzsumme von über 700 Milliarden Euro auf Platz zwei hinter der Deutschen Bank katapultieren. Als Mehrheitseigner der WestLB favorisieren die westfälischen und rheinischen Sparkassenorganisationen Verhandlungen mit den Schwaben. Auch der einflussreiche Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, der Baden-Württemberger Heinrich Haasis, macht Druck: LBBW und WestLB "würden sich geradezu ideal ergänzen". Die LBBW sei bei der Betreuung des Mittelstands stark, die WestLB beim Investmentbanking.
Allerdings hat es Jaschinski mit mehreren Konkurrenten zu tun. So ist etwa der US-Finanzinvestor J.C. Flowers, der 27 Prozent der HSH Nordbank hält, ebenso im Rennen wie der Finanzinvestor Cerberus. Die Commerzbank hat ebenfalls Interesse angedeutet, denkt aber an einen Erwerb der gesamten WestLB. Wenig begeistert vom Einstieg der LBBW bei der WestLB ist CDU-Ministerpräsident Jürgen Rütters. Man solle nicht "vorschnell auf den Zug LBBW aufspringen", warnt Finanzminister Helmut Linssen. Düsseldorf lancierte die Idee einer Fusion der vier Landesbanken im Norden, stößt jedoch bei Niedersachsens CDU-Finanzminister Hartmut Möllring auf Widerstand. Inzwischen kamen Rüttgers und sein Münchner CSU-Kollege Edmund Stoiber überein, ihre Finanzminister Sondierungsgespräche über eine Kooperation zwischen WestLB und Bayern LB führen zu lassen.
In Stuttgart gibt man sich betont gelassen, schließlich sieht man in den Sparkassen Verbündete. Oettinger: "Wir stehen unter keinem Zeitdruck." Auf dem Weg zur Vision eines großen Kreditinstituts der Länder mit der LBBW als Kern liegen allerdings noch Stolpersteine. Die Unternehmensberatung McKinsey plädiert für einzelne Zusammenschlüsse von Landesbanken, nicht aber für ein Rieseninstitut. Dass sich die Bayern LB unter die Fittiche der LBBW begeben könnte, ist kaum vorstellbar.
Auch am Neckar grummelt es. Auf Betreiben des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Stefan Mappus, und der Arbeitnehmervertreter musste sich LBBW-Chef Jaschinski im Verwaltungsrat zu seiner Expansionsstrategie äußern. Zwar wurde dann in einer Erklärung des Gremiums der Kauf der Sachsen LB begrüßt. Doch in Stuttgart sind Sorgen nicht ausgeräumt, dass bei der Neuerwerbung noch Milliardenrisiken schlummern könnten. Die Spekulationsverluste der WestLB bereiten ebenfalls Unbehagen. FDP-Minister Pfister spricht davon, dass eine Fusion von LBBW (12.000 Beschäftigte) und WestLB (6.000 Mitarbeiter) bis zu 3.000 Stellen kosten könnte. Verdi-Vorstandsmitglied Uwe Foullong lehnt einen Verkauf der WestLB wegen des zu befürchtenden Verlusts an Arbeitsplätzen ab. Ein "Machtblock" LBBW gefährde überdies die "Dezentralität und Regionalität im Sparkassenverbund".