Der Internationale Tag gegen die Todesstrafe hat einen europäischen Akzent erhalten. Die Europäische Union rief am 10. Oktober die Regierungen weltweit zur Abschaffung der Todesstrafe auf. Neben einer Konferenz gegen die Todesstrafe in Lissabon wurde auch im Europaparlament an den Tag erinnert. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (EVP) eröffnete die Plenarsitzung seines Hauses am 10. Oktober dazu mit einer kurzen Erklärung. Er begrüßte die im Saal anwesenden bulgarischen Krankenschwestern, die in Libyen zum Tode verurteilt waren und acht Jahre in Untersuchungshaft gesessen hatten. Keinem Thema habe das EU-Parlament so viel Aufmerksamkeit gewidmet wie der Abschaffung der Todesstrafe. "Allein in diesem Jahr hat das Parlament dazu drei Entschließungen angenommen", erinnerte der Präsident.
Kein Wort verlor er allerdings zum innereuropäischen Streit um den Gedenktag und die unnachgiebige Haltung Polens. Das Land wollte sich einer Erklärung der anderen 26 Mitgliedstaaten nicht anschließen. Dabei argumentiert Polen, dass es statt der Ächtung der Todesstrafe einen Schutz des Lebens geben müsse. Pöttering sagte in seiner Ansprache: "Ich bin froh und dankbar, dass kein europäisches Land die Verurteilung der Todesstrafe durch die Grundrechte-Charta in Frage stellt oder ihre Wiedereinführung ernsthaft in Erwägung zieht." Bewunderung äußerte er für Ruanda, das die Todesstrafe kürzlich abgeschafft hat. "Dieses Beispiel zeigt, dass sogar Staaten, deren Bürger die entsetzlichsten Verbrechen erlitten haben, auf die Todesstrafe als Mittel der Justiz verzichten." Die Olympischen Spiele in Peking seien eine gute Möglichkeit, "die Mauer des Schweigens zu durchbrechen", die das Thema umgebe.
Auf der Konferenz in Lissabon erinnerte Europarats-Generalsekretär Terry Davis anlässlich einer Konferenz zu diesem Thema, dass Gastgeber Portugal die Todestrafe bereits vor 140 Jahren abgeschafft habe. Nach Überzeugung von Terry Davis ist es hauptsächlich dem Europarat zu verdanken, dass sich Europa heute als "von der Todesstrafe befreite Zone" bezeichnen kann. Laut Amnesty International haben mehr als 130 Länder die Todesstrafe abgeschafft oder bereits länger als zehn Jahre nicht mehr vollstreckt. Dennoch wurden im Jahr 2006 insgesamt 1591 Todesurteile bekannt - die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen. Rund zwei Drittel der Hinrichtungen fanden in China statt. Auf der unrühmlichen Statistik folgen der Iran, Pakistan, der Irak, der Sudan und die USA.