In Deutschland liegen derzeit keine Erkenntnisse über konkrete Anschlagsplanungen durch Terroristen vor. Dies betonten am 10. Oktober Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der Chef des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhrlau und der Vizepräsident des Bundeskriminalamts Jürgen Stock in einer Sitzung des Innenausschusses. Schäuble betonte zudem, derzeit seien terroristische Gruppen weder logistisch noch personell oder technisch in der Lage, selbstständig atomare Waffen zu entwickeln.
Allerdings gebe es weltweit eine "Verfügbarkeit radioaktiver Quellen", so dass Angriffe mit so genannten schmutzigen Bomben eine "Anschlagsoption" seien. Allein 2006 habe es in Deutschland "neun verloren gegangene radioaktive Quellen gegeben", so der Minister. BND-Chef Uhrlau fügte hinzu, nach dem 11. September habe man lernen müssen, "das Undenkbare zu denken". Es habe eine "Reihe von Signalen" aus dem Umfeld Osama bin Ladens und des al-Qaida-Netzwerks gegeben, dass über die Freisetzung von Radioaktivität oder Strahlung nachgedacht worden sei. Der Einsatz schmutziger Bomben sei in "einschlägigen Foren thematisiert" worden. Dabei gehe es nicht nur um die anzurichtenden Schäden, sondern um den psychologischen Aspekt, "Angst und Schrecken" zu verbreiten.
BKA-Vizepräsident Stock wies in seinem Statement darauf hin, dass man eine Reihe von Präventionsmaßnahmen eingeleitet habe, um Derartiges zu verhindern. Er informierte die Abgeordneten darüber, dass es im Zusammenhang mit der Festnahme dreier mutmaßlicher Terroristen Anfang September insgesamt 35 Durchsuchungen gegeben habe. Dabei seien 26 Sprengsätze sichergestellt worden, die zum Großteil aus Tschechien, aber auch aus Bulgarien und Serbien stammten. Derzeit würden Festplatten, CDs, Handys und weitere Speichermedien von Experten ausgewertet, um herauszufinden, ob es weitere Anschlagsplanungen gab. "Es ist unsere Sorge, dass wir verborgene Informationspuzzleteile vielleicht nicht rechtzeitig finden, um weitere Taten zu verhindern." Die auszuwertende Datenmenge sei enorm. Man gehe aktuell davon aus, dass Vergeltungsmaßnahmen auf längere Sicht auszuschließen seien und die Szene "verunsichert" sei, könne aber nicht ausschließen, dass andere Mitglieder der Islamischen Dschihad-Union weitere Anschläge planten.
Entgegen anders lautender Berichte halte man diese im März 2002 in Usbekistan gegründete Organisation nicht für eine Erfindung - sie sei etwa verantwortlich für Anschläge auf US-Einrichtungen in Taschkent. In den Fokus der Ermittler, so Stock weiter, seien nun auch vermehrt die Konvertiten gerückt. In deutschland konvertierten jährlich etwa 1.600 Menschen zum Islam und auch wenn "von der großen Mehrheit" von ihnen "keine Gefahr" ausginge, müsse man auf Radikalisierungstendenzen achten.
Während die Koalitionsfraktionen sich zufrieden mit den Berichten der Experten zeigten, kritisierte die Opposition erneut die Art, in der Innenminister Schäuble sich in den vergangenen Wochen über die Sicherheitslage geäußert habe. Es sei, so die Linksfraktion, "ein außergewöhnlicher Zustand", dass "eher mit den Medien gesprochen wird als mit den Abgeordneten". Der Verdacht liege nahe, dass immer wieder Schreckensszenarien entworfen würden, um im Streit innerhalb der Großen Koalition Druck auszuüben.
Auch die Grünen monierten, Schäuble habe noch immer nicht verstanden, warum es Aufregung um seine Äußerungen gegeben habe. "Die Regierung soll handeln und keine apokalyptischen Szenarien an die Wand malen."Auf die Feststellung der Grünen, es sei "angenehm" gewesen, am vergangenen Wochenende kein Schäuble-Interview lesen zu müssen, entgegnete der Innenminister, er entscheide selbst, wann er Interviews gebe. Zudem halte er es mit dem Philosophen Karl Popper: "Nur eine lernende Gesellschaft ist eine offene Gesellschaft."