ENGAGEMENT
Ehemalige Abgeordnete wollen sich einbringen
Mit einem vollbesetzten Plenarsaal wurde eigentlich erst ab Mittwoch gerechnet. Doch schon am Dienstag, dem 9. Oktober waren die Abgeordnetenbänke gut besetzt. Allerdings nicht von derzeitigen Volksvertreter, die sich im Tag geirrt hatten. Nein, es waren Mitglieder der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments, die den 30. Geburtstag ihres Vereins feierten.
Schon in den 50er und 60er Jahren hätten sich ehemalige Parlamentarier getroffen, sagte Ursula Lehr (CDU), Präsidentin der Vereinigung. Doch sie seien immer nur auf informeller Basis zusammen gekommen. "Dann wollte man eine Institutionalisierung und den Kontakt mit den derzeitigen Abgeordneten", deswegen hätten damals 16 Mitglieder den Verein gegründet. Heute sind es 683, dazu kommen 472 bereits verstorbene Mitglieder. Die Ehemaligen wollen ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten. "Wir greifen Probleme der Gegenwart auf und sind nicht rückwärtsgewandt", betonte die ehemalige Familienministerin. Ein Miteinander der Generationen sei wichtig. Sie wollten auch im hohen Alter immer noch dazulernen und gleichzeitig andere von ihren Erfahrungen profitieren lassen.
Zwei Aspekte betonte sie besonders: Zum einen müsse der Anteil der Frauen in der Politik steigen und zum anderen brauche Europa eine eigene Verfassung. Unter den Ehemaligen liege der Frauenanteil bei 22 Prozent. "Das ist steigerungsfähig," so Lehr. Der Wunsch nach einem starken, geeinten Europa basiert auch auf dem persönlichen Erleben des Krieges. Für die Mitglieder der Vereinigung gelte das Leitmotto: Nie wieder Krieg, nie wieder Diktatur! Dazu müsse Europa beitragen. "Aber noch sind viele innere Hürden zu überwinden", sagte Lehr, die sich eine gemeinsame Verfassung auf "christlich-abendländischer Grundlage" vorstellen kann.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) betonte, er habe die Sondergenehmigung für die Veranstaltung gern erteilt. Die Arbeitsweise des Parlaments habe sich durch den Umzug von Bonn nach Berlin nicht geändert, wenn auch das Ansehen der Abgeordneten im Volk auf "selten niedrigem Niveau" sei. "Das kann nicht nur an den anderen liegen", so Lammert. Er sei für weniger Talkshow-Auftritte, stelle aber auch eine verminderte Politik-Berichterstattung in den Medien fest.