SCHROTTHANDEL
Das Geschäft mit Altmetallen floriert, wird aber durch Verordnungen behindert. Es gibt Hoffnung auf Besserung durch eine Änderung der Abfallrahmenrichtlinie.
Der Schrotthändler ist im Ruhrgebiet schon immer der Klüngelskerl, im Rheinland der Klüngels- pitter. Daran hat sich nichts geändert, auch wenn Schrottplätze heute blitzsauber sind und auf einmal Recyclinghöfe heißen. Seit der Stahlboom alte Autos, Waschmaschinen, Rohre und Konservendosen zu kostbaren Rohstoffen werden ließ, sind die Klüngelskerle wieder da, und sie haben Hochkonjunktur. Mehr als Tausend dieser Unternehmen gibt es im Bundesgebiet, meist Ein-Mann-Betriebe. Sie sammeln ein, was Haushalte und kleine Gewerbegebiete an Schrott und Altmetall hergeben und sind ein wichtiges Glied der Kreislaufwirtschaft. Über eine Vielzahl von kleinen und mittleren Sortier- und Sammelbetrieben setzt sich die Kette bis zu den 20 bis 30 Händlern fort, die schließlich Stahlhütten und die Gießereiindustrie beliefern. "In der Branche gibt es eine klare Hackordnung", sagt Christian Rubach, Vorstandsmitglied des Rohstoffkonzerns Interseroh. Das Kölner Unternehmen zählt mit der TSR-Gruppe und der Scholz AG zu den drei großen Schrotthandelsfirmen in Deutschland.
Das klare Gefüge zur reibungslosen Versorgung der Industrie mit Altmetall hat sich bewährt. Doch seit einigen Monaten knirscht es ordentlich im Schrotthandelsgetriebe. Grund ist die neue Abfallverbringungsverordnung. Danach muss Schrott auf amtlichen Ausfuhrdokumenten als Abfall deklariert werden, was für die Belieferung einiger Länder wie Italien ein gravierendes Handelshemmnis darstellt. Sie befürchten negative Auswirkungen auf die Genehmigungen für den Betrieb ihrer Produktionsanlagen, wenn diese "Abfall" einsetzen. Es drohe eine starke Beeinträchtigung des freien Handels, schimpfte Rolf Willecke, der Geschäftsführer des Stahlrecycling-Verbands BDSV. "Die Verordnung weist mehrere "handwerkliche Fehler auf und hat zu erheblichen Verwerfungen in dem bisher gut funktionierenden Stahlschrottmarkt geführt", sagte auch Interseroh-Vorstand Rubach.
Schrott sei kein Abfall, denn gut 54 Prozent der europäischen Stahlproduktion basierten bereits auf dem Einsatz des Sekundärrohstoffs Stahlschrott. In der Tat. Schrott ist für die Stahlindustrie unverzichtbar. In herkömmlichen Hütten wird Altmetall mit einem Anteil von bis zu 30 Prozent zum Abkühlen beim Stahlkochen eingesetzt. Für Elektrostahlwerke ist Schrott sogar der einzige Rohstoff. Nach Eisenerz ist das Altmaterial damit der zweitwichtigste Rohstoff der Branche, die sich derzeit weltweit vor Aufträgen kaum retten kann. Jeden Monat benötigen die Stahlunternehmen in Deutschland eine Schrottmenge, die 200 Eiffeltürmen entspricht.
Rund 500 Millionen Tonnen Schrott brauchen die Stahlkocher nach Schätzungen derzeit weltweit im Jahr für die Produktion von gut 1,2 Milliarden Tonnen Stahl (2006). Teilweise werden Abfälle aus der eigenen Produktion eingesetzt, der Rest vom Handel zugekauft. Der weltweite Schrotthandel hat sich in den vergangenen Jahren auf annähernd 100 Millionen Tonnen etwa verdoppelt, so der Weltstahlverband IISI auf der Weltstahlkonferenz am 9. Oktober in Berlin. Unter Schwankungen gehen die Preise dabei seit Jahren steil nach oben. Nachdem die Tonne Schrott der Schlüsselsorte 2 im Jahr 2003 noch für durchschnittlich 113 Euro zu haben war, kletterte der Preis in diesem Jahr in der Spitze auf über 250 Euro. Zum Vergleich: In den 70er-Jahren fand Schrott für gerade einmal fünf D-Mark den Weg zu den Abnehmern. Da die deutschen Stahlkonzerne derzeit Bestände horten, haben sich die Preise in den vergangenen Wochen etwas beruhigt. Lieferverträge werden bisher meist auf Monatsbasis geschlossen.
Der Aufwärtstrend der Preise wird sich nach Einschätzung der Altmetallbranche in der nächsten Zeit nicht ändern. "Das Schrott-Aufkommen lässt sich kaum noch steigern", vermutet Interseroh-Vorstand Rubach. Deutsche Recyclingunternehmen müssten sich so organisieren, dass sie "auf Knopfdruck den deutschen, den europäischen oder den Weltmarkt beliefern können". Deutschland selbst ist ein Beispiel für die internationale Vernetzung in dem Warenstrom. Stahlindustrie und Gießereien benötigen annähernd 20 Millionen Tonnen Altschrott. Davon werden etwa 6 Millionen Tonnen importiert. Gleichzeitig exportiert Deutschland aber über 8 Millionen Tonnen. Wenn die Ausfuhren nicht gedrosselt werden, dürfte der Importbedarf in Deutschland wegen des Zubaus von Elektrostahlöfen deutlich steigen.
Hoffnung, dass sich der bürokratische Aufwand im Außenhandel mit Schrott schnell vermindert, hat die deutsche Recyclingwirtschaft nicht. Erst im kommenden Jahr soll die Abfallrahmenrichtlinie geändert werden. Dann endlich soll klar gestellt werden, was Abfall ist und was als Rohstoff im Recyclingprozess gilt.
In Kraft treten dürfte die neue Richtlinie indessen erst 2009 oder gar 2010. Immerhin wurde die leidige Abfallverbringungsverordnung von Deutschland und einigen anderen Staaten für Geschäfte mit Ländern außerhalb der OECD ausgesetzt. Dieser Schritt des Bundesumweltministeriums läuft in diesem Monat aus, doch hat die Branche Anhaltspunkte dafür, dass die Aussetzung verlängert wird.