NAHRUNGSSICHERHEIT
Veränderte Fokusse im Ministerium
Mit Renate Künast kam das Verbraucherschutzministerium. Als im Jahr 2000 die BSE-Krise die Deutschen verunsicherte, wurden in der damaligen rot-grünen Bundesregierung Stühle gerückt und Ministerien getauscht. Die Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) übergab ihr Ressort im Januar 2001 an die Sozialdemokratin Ulla Schmidt. Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des zurückgetretenen Ministers Karl Heinz Funke (SPD) ging wiederum an Bündnis 90/Die Grünen und wurde fortan von Renate Künast geführt. Die änderte zuallererst einmal den Namen. Der Verbraucherschutz sollte fortan im Vordergrund stehen. Es begann der Kampf um gentechnikfreie Lebensmittel, gegen Massentierhaltung und für entsprechende Kennzeichnungspflichten. Immer wieder wurde Künast dabei eine ideologisch bedingte Schieflage ihrer Politik unterstellt. Zu sehr, so ihre Kritiker, bevorzuge sie die Interessen der Ökobauern, während sie die konventionelle Landwirtschaft benachteilige.
Insbesondere mit Gerd Sonnleitner, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, lag sie immer wieder im Streit. Sie habe die Wettbewerbsstellung der Bauern kontinuierlich verschlechtert und gefährde damit Arbeitsplätze, hieß es. Bei der grünen Gentechnik werde sogar die Forschung unterlaufen. "Nur von Gefahren ist die Rede, nie von Chancen", sagte Sonnleitner beispielweise auf dem Bauerntag 2005. Künast ließ sich dennoch nicht beirren. Doch sowohl beim Verbot der Käfighaltung als auch mit einem umfangreichen Verbraucherinformationsgesetz scheiterte sie ein ums andere mal am unions-dominierten Bundesrat. Als Oppositionspartei kritisiert Bündnis 90/Die Grünen das von der Großen Koalition im vergangenen Jahr verabschiedete Verbraucherinformationsgesetz heftig. Es lasse mehr Schlupflöcher zu als es Informationsrechte gebe und sei handwerklich schlecht gearbeitet - zu Lasten der Verbraucher.
Bei der SPD-Fraktion sieht man das natürlich anders. Das von der Großen Koalition auf den Weg gebrachte Verbraucherinformationsgesetz sei ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz für den Verbraucher, heißt es dort. Dabei wäre man gern noch weiter gegangen. Das vorliegende Gesetz sei ein Fortschritt, aber auch ein Kompromiss. Die SPD trete weiterhin für umfassendere Verbraucher-Informationsrechte ein. Qualitätssicherung bei Lebensmitteln sei dabei ein wichtiges Ziel. Mehr Transparenz über Qualität und Kontrolle soll entscheidend dazu beitragen, dass die Hersteller, Händler und Anbieter ihren Verpflichtungen auch gerecht werden. Vorgesehen ist außerdem eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Lebensmittelüberwachungs- und Strafverfolgungsbehörden und eine Ausschöpfung des vorgesehenen Strafrahmens.
Seit Horst Seehofer (CSU) im Amt ist, steht der Verbraucherschutz wieder an letzter Stelle - zumindest im Namen seines Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Eine Wertung sei dies aber nicht, so Seehofer (siehe Interview Seite 5). Dennoch verdeutlicht allein schon das bisher weitgehend streitfreie Verhältnis zu Bauernverbandspräsident Sonnleitner eine andere Gewichtung. Die Einstellung, wie man Landwirtschaft sieht und gewichtet, habe sich geändert, so Sonnleitner. Die wirtschaftliche Komponente stehe wieder im Vordergrund, auch wenn man weiterhin Standards im Tier- und Verbraucherschutz einhalten wolle.
Nach dem jüngsten Gammelfleisch-Skandal in Bayern fordert Seehofer energisches Einschreiten. "Das Entscheidende ist Kontrolle und harte Bestrafung", so der Minister. Da ist er sich mit Peter Blesser, dem CDU/CSU-Fraktionssprecher für Verbraucherschutz einig. Blesser fordert angesichts der jüngsten Skandale über das Verbraucherinformationsgesetz hinausgehende Regelungen.
Dem "mündigen und eigenverantwortlichen Marktteilnehmer" fühlt sich die FDP verpflichtet. Für die Liberalen bedeutet das, dem Verbraucher etwas zuzutrauen und ihm seinen Entscheidungsspielraum zu lassen. Es könne nicht Aufgabe der Politik sein, den Bürgern wirtschaftliche Entscheidungen abzunehmen oder gar jedes Risiko abzusichern. Vielmehr müsse der Staat dafür Sorge tragen, dass Entscheidungen auf Grundlage von sachlicher Information und kompetenter Bewertung in einem transparenten Markt mit fairen Bedingungen getroffen werden können, so der Verbraucherschutzexperte Hans Michael Goldmann.
Beim Thema Gammelfleisch, sagt Karin Binder, Sprecherin der Fraktion Die Linke, müsse Minister Seehofer "den Fuß von der Bremse nehmen und endlich durchstarten". Statt von der eigenen Untätigkeit abzulenken und die Verantwortung wahlweise der EU oder den Ländern und Kommunen zuzuschieben, solle er umfassende und effektive Maßnahmen für eine lückenlose Kontrolle vorantreiben. Vorschläge dafür gebe es seit längerem, so Binder. Die Linke setze sich für ein bundesweit koordiniertes Kontrollsystem mit gleichwertigen Sicherheitsstandards ein, damit Lebensmittel systematisch auf ihre Qualität geprüft werden. Sie fordert außerdem eine personell aufgestockte Lebensmittelkontrolle in allen Bundesländern.