Aus dem Urlaub dürfte nahezu jeder das Problem kennen: Man würde sich gerne mit Einheimischen verständigen, Speisekarten, Orts- und Hinweisschilder lesen können, spricht aber die dafür nötige Sprache nicht oder nicht gut genug. Im Urlaub helfen häufig Hände und Füße beim Überbrücken dieser Sprachlöcher, in der Politik ist das schwieriger ja häufig sogar unmöglich. Zum Beispiel dann, wenn es um Berichte oder ähnliches geht, die nur in Englisch und Französisch vorliegen, über die deutsche Politiker oder polnische, italienische, spanische, lettische, finnische oder andere Abgeordnete aus EU-Ländern aber beraten und wohl möglich auch entscheiden sollen.
Auch wenn ein Großteil europäischer Parlamentarier mindestens eine der beiden Sprachen spricht oder versteht, heißt das noch lange nicht, dass man komplexe Berichte so zur Kenntnis nehmen kann, um anschließend fundiert darüber zu beraten. Spätestens seit der großen Erweiterungsrunde 2004 ist daraus ein handfestes Problem in der EU geworden. Mittlerweile gibt es mit dem Rumänen Leonard Orban nicht nur einen eigenen Kommissar für Sprachenvielfalt, sondern seit Mitte dieses Jahres auch die so genannte Gruppe Intellektueller. Diese soll die EU-Kommission in Fragen der Mehrsprachigkeit und des interkulturellen Dialogs beraten.
Wie diese Unterstützung aussieht und was deutsche Parlamentarier tun können, darüber informierte am 24. Oktober die deutsche Vertreterin in der Gruppe Intellektueller, die Präsidentin des Goethe-Institus, Jutta Limbach, die Mitglieder des Europaauschusses im Bundestag. Limbach betonte, dass es beim Thema Mehrsprachigkeit um deutlich mehr als nur sprachliche Verständigung gehe: "Die Sprache ist ein Instrument der Kultur, sie ist der Schlüssel zum interkulturellen Dialog." Ziel der Gruppe Intelektueller sei es, dies populär zu machen. Derzeit sei die Mehrsprachigkeit allerdings in der EU ein "kochend heißes Thema", das man behutsam anfassen müsse.
Für Deutschland sei es wichtig, sagte Limbach, deutlich stärker als bisher darauf zu achten, welches Personal man nach Brüssel schicke. Vorraussetzung sollte sein, dass jeder neben Deutsch zwei weitere EU-Sprachen beherrsche. Den Abgeordneten im Europaausschuss empfahl die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, einen Tag beim Sprachendienst der EU zu verbringen, um sich selbst ein Bild von der derzeitigen Lage zu machen - das könnte "sehr hilfreich" sein für alle weiteren Diskussionen zu diesem Thema. Sie widersprach auch dem von der EU vorgebrachten Argument, eine Übersetzung in alle Sprachen sei zu teuer. Ihrer Information nach mache dies nicht einmal ein Prozent des Budgets aus.
Limbach bestärkte die Abgeordneten in ihrer Sicht, dass es sich nicht um ein rein deutsches Thema handle, alle anderen Sprachen seien ebenso betroffen. Abschließend wagte sie eine Prognose: "Ich denke es wird zu vier Sprachen kommen." Neben Englisch und Französisch werden das nach Einschätzung von Limbach Deutsch und Spanisch sein. Die Abgeordneten lobten Limbachs Engagement und baten sie, weiterhin für die deutschen (Sprach-)Interessen zu kämpfen.