GEDENKVERANSTALTUNG
Erste zentrale Feier für alle Opfer der RAF
Es war still im Saal. Keiner redete, keiner hustete. Zu hören war nur das Klacken der Schuhe auf dem Steinboden, als nacheinander 37 Berliner Schüler durch den Raum gingen, auf das Podium traten und jeder einen Namen nannte. "Jürgen Ponto" und "Hanns-Martin Schleyer" waren darunter. Der letzte Schüler schloss die Überlebenden und Angehörigen in das Gedenken mit ein.
Die 36 Opfer der Rote Armee Fraktion sollten bei der Gedenkveranstaltung im Deutschen Historischen Museum in Berlin am 24. Oktober im Mittelpunkt stehen. "Die Freiheit ist stärker - bleibende Verantwortung für Staat und Bürger" hatten die Veranstalter - die Alfred Herrhausen Gesellschaft, Hanns-Martin Schleyer-Stiftung, Jürgen Ponto-Stiftung und Karl Heinz Beckurts-Stiftung sowie Wirtschaftsverbände und die Bundesregierung - die Veranstaltung benannt, in der erstmals aller Opfer zugleich gedacht wurde. Gut 300 Gäste, darunter Angehörige der Opfer, Passagiere des im Oktober 1977 entführten Flugzeuges "Landshut", GSG 9-Angehörige sowie Vertreter aus Wirtschaft und Politik, hörten die Appelle von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), nicht die Täter zu heroisieren, sondern die Gefühle der Hinterbliebenen zu bedenken. "Die Opfer kamen oft nur am Rande vor, wurden oft nur aus dem Blickwinkel der Terroristen gesehen", so Zypries.
Lammert und Schäuble schlossen sich dieser Bewertung an. "Ein Symbol der Gedankenlosigkeit der Öffentlichkeit im Umgang mit Bildern und mit Menschen" nannte Lammert die Verwendung des Bildes des entführten Hanns-Martin Schleyers "geradezu als Logo" für Zeitungsserien über den so genannten Deutschen Herbst. Er sprach sich für eine Gedenktafel in Berlin aus, die sowohl die Opfer würdigen als auch "die Gefährdungen unseres Staates und unseres Zusammenlebens" deutlich machen solle. Zu viele Menschen hätten mit den Terroristen sympathisiert, erst die Unterstützung habe der RAF zum Erfolg verholfen. Schäuble warb in dem Zusammenhang für einen gut ausgerüsteten Rechtsstaat, um Terrorismus wirkungsvoll bekämpfen zu können. Damals hätten sich die Täter an einzelne Personen gehalten, heute sei jeder potenziell gefährdet. "Der Staat muss schon in der Lage sein, dem Terrorismus auf Augenhöhe zu begegnen", sagte Schäuble.