Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe/
Berlin: (hib/BES) Das seit 2002 geltende deutsche
Völkerstrafgesetzbuch gehört nach Meinung von Experten zu
den weltweit progressivsten, es gibt aber Mängel bei seiner
Anwendung: "Deutschland muss endlich beginnen, das
Völkerstrafgesetzbuch umzusetzen." Mit diesem Appell hat sich
Géraldine Mattioli, Expertin für Internationales Recht
bei Human Rights Watch, bei einer öffentlichen Anhörung
am Mittwochabend an die Abgeordneten im Menschenrechtsausschuss
gewandt. Die Bundesrepublik verfüge über die besten
Instrumentarien, die fehlende Umsetzung stehe aber im scharfen
Kontrast zu anderen Staaten. Dies habe etwas mit dem politischen
Willen zu tun, so Mattioli. Die Politik müsse den
Strafverfolgungsbehörden dringend die nötige personelle
und finanzielle Ausstattung angedeihen lassen. Die Expertin empfahl
auch einen Blick ins Ausland. In den Niederlanden würden zum
Beispiel Infobroschüren an Asylsuchende verteilt, in denen sie
aufgeklärt würden, an wen sie sich wenden können,
wenn sie Kenntnisse über Kriegsverbrecher aus ihrer Heimat
besitzen. Bei der weltweiten Strafverfolgung von Menschenrechts-
und Kriegsverbrechern dürfe sich Deutschland nicht auf
diplomatische Gründe berufen, meinte Mattioli in Anspielung
auf die Fälle des früheren usbekischen Innenministers
Almatow, der im Zusammenhang mit dem Massaker von Andischan gesucht
wird, und des früheren US-Verteidigungsministers Donald
Rumsfeld. Gegen ihn wurde in Deutschland zweimal eine Strafanzeige
wegen Foltervorfälle im amerikanischen Gefängnis Abu
Ghraib im Irak erstattet und von der Generalbundesanwaltschaft
nicht zugelassen. In diesem Zusammenhang plädierte unter
anderen Professor Kai Ambos, Richter am Landgericht Göttingen,
für die Einführung eines gerichtlichen
Zustimmungserfordernisses oder eines Klageerzwingungsverfahrens. Im
Fall Rumsfeld sei im Ausland der falsche Eindruck entstanden, die
Generalstaatsanwaltschaft in Deutschland sei " der verlängerte
Arm der Exekutive". Nur eine gerichtliche Entscheidung könne
hier die Zweifel ausräumen, zumal der Generalstaatsanwalt als
ein politischer Beamter und vom Bundesjustizministerium
abhängig gelte. "Ich bin kein politischer Beamter",
widersprach Rolf Hannich, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof. "Es
gibt und gab keine Weisung des Ministeriums." Im Fall Almatow sei
die Strafanzeige erst eingegangen, als dieser bereits Deutschland
verlassen habe. Im Übrigen sehe Hannich als Praktiker keinen
Grund das geltende Gesetz zu ändern. "Keinerlei Anlass" dazu
sieht auch der Richter am Internationalen Strafgerichtshof,
Hans-Peter Kaul. Man solle bei der Bewertung des deutschen
Völkerstrafgesetzbuches nüchtern und gelassen bleiben.
Potenzial für Verbesserungen gebe es allerdings bei der
Zusammenarbeit mit dem EU-Netzwerk zur Untersuchung von
Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und
Kriegsverbrechen. Die Gründung eines von der
Generalbundesanwaltschaft unabhängigen Dokumentationszentrums
empfahl Professor Horst Fischer von der Ruhr-Universität
Bochum. Dies könnte Beweise und für die Verfolgung von
Straftätern wichtige Daten sammeln und so die Strafverfolgung
erleichtern. Eine aktivere Rolle Deutschlands bei der
Strafverfolgung aufgrund des Weltrechtsprinzips verlangte der
Berliner Fachanwalt für Strafrecht, Wolfgang Kaleck, der
besonders durch seine Strafanzeige gegen Rumsfeld bekannt wurde. Er
sprach sich für die so genannten Ermittlungen auf Vorrat aus.
Beispiele aus dem Ausland zeigten, dass aufgrund solcher
Ermittlungen bedeutsame Erfolge wie im Falle des chilenischen
Ex-Diktators Pinochet möglich seien. Dafür müssten
aber die deutschen Behörden personell besser ausgestattet
werden. In der Bundesanwaltschaft seien derzeit lediglich drei
Personen nebenamtlich mit der Verfolgung der komplexen
Menschenrechtsverbrechen tätig. Dies sei eindeutig zu wenig,
meinte Kaleck. In Holland befasse sich damit ein Team von 32
Experten. Claus Kreß von der Universität Köln
thematisierte unter anderem die Zuerkennung von
Immunitätsschutz bei ehemaligen Staatsorganen. Dies sei der
problematischste Aspekt der bisherigen Praxis zum
Völkerstrafgesetzbuch. Dies sei völkerrechtspolitisch
fatal und nur durch eine "Kurskorrektur" des Generalbundesanwalts
zu beheben.
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