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Renate Gradistanac
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Rede im Deutschen Bundestag am 24. Juni 1999

zum Thema:

Politische Schlussfolgerung aus dem Brief des Papstes zur Schwangerschaftskonfliktberatung

Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

in der Tickermeldung vom 23.06.99 gestand der Vorsitzende der Bischofskonferenz Karl Lehmann, „die neue Regelung könne Unbehagen und Unverständnis auslösen“.

Stimmt!

Wieder keine klare und eindeutige Entscheidung zugunsten der betroffenen Frauen.

So ist in der Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz vom 23.06.99 zu lesen, dass die Forderung des Papstes, Beratungsscheine künftig mit einem Zusatz zu versehen, umgesetzt werden soll. Dieser Zusatz soll lauten: „Diese Bescheinigung kann nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden“.

Dies wäre dann die zweite Einschränkung, die die katholische Kirche machen würde. Schon bisher steht in den Richtlinien für die katholischen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen: „Die Aushändigung diese Beratungs- und Hilfeplans bedeutet keinerlei Akzeptanz eines Schwangerschaftsabbruchs“.

Die kritische Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem am 25. August 1995 verkündeten Schwangeren- und Familienhilfegesetz ist nicht neu. Schon damals hat die katholische Kirche angekündigt, dass sie sich nicht mit diesem Gesetz abfinden wird. Im Januar 1998 wird öffentlich, dass der Papst in einem Brief erklärt hat, er wolle die Bestätigung für eine Beratung, die auch Voraussetzung für eine straffreie Abtreibung ist, in den katholischen Beratungsstellen nicht mehr dulden.

Das kam einem Affront gleich, waren es doch die katholischen Bischöfe, die bei der gesetzlichen Neuordnung des § 218 auf die Pflichtberatung von Frauen in Schwangerschaftskonflikten gedrungen hatten. Die verpflichtende Beratung wurde aufgenommen, und so konnte nach zähem Ringen mit breiter parlamentarischer Mehrheit ein Gruppenantrag im Deutschen Bundestag verabschiedet werden. Ein tragfähiger Kompromiss über Parteigrenzen hinweg wurde gefunden.

Wir waren zufrieden. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzten sich seit den 20er Jahren im Parlament für eine Fristenlösung ein. Nun haben wir ein Gesetz, das die Würde der Frau wahrt, die eigene Entscheidung der Frau respektiert und auch dem werdenden Leben Schutz und Entwicklungschancen garantiert. Außerdem bringt es erstmals im vereinigten Deutschland Rechtssicherheit für die betroffenen Frauen in Ost- und Westdeutschland, die Ärztinnen und Ärzte, Beraterinnen und Berater.

Nun muss, nach der gestrigen unklaren Entscheidung der Bischofskonferenz zum Verbleib in der stattlichen Schwangerschaftskonfliktberatung, geprüft werden, ob sich rechtliche Konsequenzen aus dem geforderten Zusatz zu den Beratungsbescheinigungen ergeben.

Unabhängig vom Ausgang dieser Nachprüfung stelle ich mit Bedauern fest, dass die katholische Kirche die Frauen offensichtlich moralisch unter Druck setzt und zur zusätzlichen Belastung der Frauen beiträgt.

Welchen Auftrag hat denn die katholische Kirche noch in unserer Gesellschaft, wenn sie Frauen in Konfliktsituationen nicht uneingeschränkt zur Seite steht?