Renate
Gradistanac MdB
IZBB -
Ganztagsschulprogramm - aktuelle Entwicklung
Die
SPD-geführte Bundesregierung hat 2002 das Investitionsprogramm
Zukunft, Bildung Betreuung (IZBB) in Höhe von 4 Milliarden
Euro für den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen für die
Jahre 2003 bis 2007 aufgelegt. Baden-Württemberg stehen davon
528 Millionen Euro zur Verfügung. Dieses Investitionsprogramm
der Bundesregierung für mehr Ganztagsschulen hat in
Baden-Württemberg eine enorme Resonanz gefunden, obwohl die
Landesregierung die Umsetzung in Baden-Württemberg
zunächst blockieren wollte.
Bereits in den
beiden ersten Jahren haben die Schulträger für 406
Ganztagsschulprojekte insgesamt 370 Millionen Euro an Mitteln aus
diesem Programm beantragt und bewilligt bekommen. Damit war klar:
Von den insgesamt 528 Millionen Euro für
Baden-Württemberg stehen für weitere Schulprojekte nur
noch 158 der 528 Millionen Euro zur Verfügung. Doch anstatt
die Schulträger über die enorme Nachfrage nach Mitteln
aus dem Investitionsprogramm zu informieren und sie darauf
hinzuweisen, dass der Etat für Baden-Württemberg zur
Neige geht, haben Kultusministerium und Oberschulämter Schulen
und Schulträger weiterhin Anträge und pädagogische
Konzepte für Ganztagsschulen ausarbeiten und einreichen
lassen.
Zum Stichtag
31. März 2005 hat das Kultusministerium dem Bund zu den 406
Schulprojekten der Jahre 2003 und 2004 weitere 508 Schulprojekte
gemeldet - mit einem Gesamtfördervolumen von 476 Millionen
Euro. Das heißt: Frau Schavan hat den von vornherein klar
definierten Etat für Baden-Württemberg bewusst und in
voller Absicht um 319 Millionen Euro überzogen. Von den 508
für das Jahr 2005 nach Berlin gemeldeten
Ganztagsschulprojekten können „nur“ noch die
ersten 159 gefördert werden, weil sich die Landesregierung
laut Bekanntmachung durch das Kultusministerium vom 19. März
2004 für das so genannte Windhundprinzip entschieden hat:
„Das Oberschulamt entscheidet über die Anträge in
der Reihenfolge ihres Eingangs und erteilt die
Bewilligungsbescheide.“
Konkret
heißt das: 349 beantragte Ganztagsschulprojekte können
nicht mehr in das IZBB aufgenommen werden. Dies ist bedauerlich,
weil sich vielerorts Schulleitungen, Lehrerkollegien, Eltern und
Schüler, aber auch Verwaltungen große Mühe für
die Erarbeitung eines Ganztagsschulkonzepts gegeben haben.
Verständlich, dass vor Ort jetzt Unmut entsteht. Frau Schavan
versucht jetzt, der SPD-geführten Bundesregierung die Schuld
zu geben, indem sie behauptet, dass der Bund viel zu wenig Geld
für die guten Ganztagsschulkonzepte Baden-Württembergs
zur Verfügung stellt.
Hierzu ist
folgendes anzumerken:
1. Ohne die
SPD hätte es überhaupt nie ein solch gigantisches
Schulentwicklungsprogramm mit einem Volumen von 4 Milliarden Euro
bundesweit und 528 Millionen Euro allein für
Baden-Württemberg gegeben. Dabei war von vornherein klar, dass
es nicht weitere Gelder vom Bund geben wird. Die
CDU/FDP-Landesregierung hat von Anfang an mit allen Mitteln
versucht, das Ganztagsschulprogramm zu blockieren und den
großen Bedarf an Ganztagsschulen zu leugnen.
2.
Baden-Württemberg und Bayern haben von vornherein darauf
bestanden, dass die Kriterien für Schulen zur Aufnahme in das
IZBB möglichst niedrig angesetzt werden. Auf diese Weise ist
es Frau Schavan gelungen, z. B. ihr teures Elite-Internat in
Schwäbisch Gmünd über das IZBB zu finanzieren.
Über 10 Millionen Euro wurden so aus dem IZBB für das
Hochbegabten-Internat abgezweigt. Auch die Umrüstung von
Gymnasien im Zuge der Einführung des achtjährigen
Gymnasiums wurde vielfach mit IZBB-Mitteln abgewickelt -
G8-Projekte, die eigentlich aus dem Landesetat hätten
finanziert werden müssen. Dieses Geld fehlt jetzt für die
Schulen, die wirklich ausgezeichnete Ganztagsschulkonzepte
entwickelt haben.
3. Die
CDU/FDP-Landesregierung war es, die das Verfahren zur
Mittelvergabe festgelegt hat. Als einziges Bundesland hat es das
sog. Windhundprinzip durchgeführt (Wer zuerst den Antrag
stellt, wird berücksichtigt). Dieses hat diejenigen Schulen
und Schulträger benachteiligt, die durchdachte und ausgefeilte
Konzepte vorlegen wollten. Dazu kommt, dass in der einzelnen
Oberschulämtern Anträge von Gemeinden und Schulen
offenbar völlig unterschiedlich bearbeitet worden sind:
Während vor allem Freiburg bremste, ermutigte und
unterstützte Tübingen die Antragstellung mit dem
Ergebnis, dass das Gros der bewilligten Projekte in
Südwürttemberg liegt. Kommunen und Schulen werfen der
Landesregierung deshalb eine große Ungleichbehandlung durch
die zuständigen Behörden vor.
4. Das
Kultusministerium hat versäumt, interessierten
Schulen und Schulträgern mitzuteilen, dass der vom Bund
für Baden-Württemberg zur Verfügung stehende Etat
seit spätestens Herbst 2004 ausgeschöpft und das Programm
deutlich überzeichnet ist. Jetzt schiebt Schavan den Schwarzen
Peter der SPD- geführten Bundesregierung zu: Der Bund gebe
viel zu wenig Geld für die vielen guten Ganztagsschulkonzepte
in Baden-Württemberg. Oettinger und Schavan fordern nun, der
Bund solle IZBB-Gelder, das andere Bundesländer nicht abrufen,
nach Baden-Württemberg geben. Diese Forderung ist eine reine
Luftnummer, denn der CDU/CSU-Bundesfraktion wurde im Bundestag vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung am 13.4.2005
schriftlich mitgeteilt: „Die Planungen der Länder weisen
eine vollständige Inanspruchnahme der Investitionsmittel des
Bundes aus. Dies wird von allen Ländern ausdrücklich
bestätigt.“
5. Die
Union hat im Rahmen der Föderalismuskommission und
-debatte vehement darauf gepocht, dass Bildung Ländersache ist
und bleiben soll. Gleichzeitig weigert sich die
CDU/FDP-Landesregierung aber, für Ganztagsschulen (mit
Ausnahme der 171 so genannten Brennpunktschulen) pädagogisches
Personal zur Verfügung zu stellen und kommt damit seiner
ureigenen Aufgabe nicht nach. Nicht einmal Finanzierungshilfen
für Investitionen im Zuge der Umstellung zum Ganztagsbetrieb
stellt diese Landesregierung bislang zur Verfügung.
6. Nach der
gewaltigen (und freiwilligen) Anschubfinanzierung der
SPD-geführten Bundesregierung ist die CDU/FDP-Landesregierung
aufgefordert, Ganztagsschulen endlich aktiv zu fördern. Sowohl
Günther Oettinger wie auch Annette Schavan haben bei ihren
Regionalkonferenzen betont, dass Ganztagsschulen nach Bedarf
ausgebaut werden sollen. Jetzt ist der Bedarf offenkundig: Im
Kultusministerium liegen 349 Anträge für
Ganztagsschulprojekte, die auf Umsetzung warten.
7.
Vielerorts haben die Gemeinderäte
fraktionsübergreifend und mit Zustimmung der CDU
Resolutionen verfasst, mit denen die Landesregierung aufgefordert
wird, endlich ein eigenes Landesprogramm für Ganztagsschulen
aufzulegen. Sogar in der Landeshauptstadt Stuttgart ist der Unmut
über die Landesregierung so groß, dass die CDU-Fraktion
und allen anderen Fraktionen zusammen eine solche Resolution auf
den Weg gebracht hat. Auch die Kommunalpolitische Vereinigung der
CDU (KPV) unter Vorsitz von Andreas Renner (OB Singen) fordert seit
Freitag, 15. April, ein eigenes Landesprogramm für
Ganztagsschulen.
8. Neben
Investitionshilfen benötigen die Schulen und Kommunen auch
Mittel für pädagogisches Personal. Im Gegensatz zu
Rheinland-Pfalz, wo das Land allen Ganztagsschulen Mittel für
pädagogisches Personal (das sie sich selbst auswählen
können) zur Verfügung stellt, erhalten in
Baden-Württemberg nach wie vor nur 171 Hauptschulen mit sog.
besonderer pädagogischer Herausforderung zusätzliche
Lehrerwochenstunden zugewiesen. Der SPD-Haushaltsantrag,
Ganztagsschulen 20 Millionen Euro an Mitteln für
pädagogisches Personal zur Verfügung zu stellen, wurde in
namentlicher Abstimmung von CDU und FDP abgelehnt. Gerade bei der
FDP ist dies verwunderlich, befürwortet sie doch als
Regierungspartner der SPD in Rheinland-Pfalz aktiv
zusätzliches Personal für Ganztagsschulen.
9. Wie sehr
in Baden-Württemberg Ganztagsschulen ausgebremst werden,
zeigt sich auch an der fehlenden Verankerung im Schulgesetz.
Während andere Länder wie Rheinland-Pfalz oder auch das
Saarland längst Ganztagsschulen im Schulgesetz verankert
haben, gelten sie in Baden-Württemberg noch immer als
Schulversuch. Jede Schule, die Ganztagsschulen werden will,
benötigt eine Genehmigung durch das Ministerium als
Schulversuch über Art. 22 des Schulgesetzes. Dies ist
umständlich und bürokratisch. Der SPD-Gesetzentwurf, der
Ganztagsschulen im Schulgesetz fest verankern will, wurde in erster
Lesung von Ministerin wie CDU/FDP negativ bewertet.
10.
Zusammen mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung hat der
Bund ein Begleitprogramm für bestehende und entstehende
Ganztagsschulen entwickelt. Unter dem Motto „Ideen für
mehr! Ganztägig lernen“ werden mit diesem Programm in
den Ländern Serviceagenturen zur Beratung von Ganztagsschulen
aufgebaut. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das
sich an diesem Programm nicht beteiligt. Die Frage nach der
Unterstützung für entstehende Ganztagsschulen bleibt in
Baden-Württemberg daher weiterhin unbeantwortet.
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