15. November
2007
Nein zum
militärischen OEF-Einsatz
Gradistanac:
Operation Enduring Freedom muss überprüft
werden
Die
SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Gradistanac lehnt die Fortsetzung
des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen der
Operation Enduring Freedom (OEF, „Dauerhafte Freiheit“)
ab. In namentlicher Abstimmung, gestern im Bundestag, stimmte
Gradistanac mit nein und unterzeichnete mit weiteren Abgeordneten
der SPD-Fraktion die folgende persönliche
Erklärung:
„Ich
begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung in
ihrem Afghanistankonzept und in dem obengenannten Antrag
berücksichtigt, dass die Entstehung von Terrorismus auch durch
soziale und ökonomische Umstände begünstigt wird und
deshalb die militärische Option der Bekämpfung nur als
einen Teilaspekt von mehreren ansieht.
Mindestens
genauso wichtig ist, das Engagement für die Beseitigung der
existenziellen Not und der Defizite in der Sicherheit im
täglichen Leben zu verstärken. Besonders dieser, aber
auch folgende weitere Aspekte haben mich letztlich jedoch dazu
bewogen, der Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher
Streitkräfte im Rahmen der OEF nicht zuzustimmen, da ich das
Primat des Zivilen vor dem Militärischen in der
Gesamtbetrachtung des Einsatzes nicht gegeben sehe.
1. Die
Bundesregierung und die deutschen Hilfsorganisationen haben in
Afghanistan in den vergangenen sechs Jahren in den Bereichen, in
denen sie gemäß der internationalen Aufgabenteilung
zuständig waren und zum Teil weit darüber hinaus, viel
Positives bewirkt. Der zivile ISAF-Einsatz, welchen der Deutsche
Bundestag vor kurzem verlängert hat, ist ein notwendiger und
nützlicher Beitrag zur Sicherheit beim Wiederaufbau des
Landes.
Der OEF
Einsatz ist jedoch kein ziviler, sondern ein massiv
militärischer. Er forderte bereits viele zivile Opfer. Diese
sind nicht nur aus humanitären Gründen unverantwortbar,
sie haben auch sehr negative Auswirkungen auf den Erfolg des
zivilen ISAF-Einsatzes in Afghanistan. Obwohl zurzeit im Rahmen von
OEF keine deutschen Soldaten in Afghanistan tätig sind, macht
die grundsätzliche Beteiligung Deutschlands an der OEF die
Unterscheidbarkeit der zivilen Aufbauarbeit der Bundeswehr im
Rahmen von ISAF immer weniger unterscheidbar von den
militärischen Aktivitäten und damit weniger
glaubwürdig.
2. Ich zweifle
daran, dass der Nato-Bündnisfall, auf dem der Einsatz beruht,
noch gegeben ist. Ich bin überzeugt, dass hier nach sechs
Jahren eine neuerliche Prüfung der Einsatzgrundlagen
erforderlich ist.
3. Die
Prüfung der Verfassungs- und Völkerrechtlichkeit des
OEF-Einsatzes in Afghanistan ist in vielen Gesprächen von
Bundestagsabgeordneten immer wieder an die Bundesregierung
herangetragen worden, ohne dass dies seinen Niederschlag in dem
heute vorliegenden Beschlussvorschlag gefunden
hätte.
4. Weiterhin
kritisiere ich - trotz der im Beschlussvorschlag angesprochenen
Einsatzauflagen - die mangelnde Transparenz des Einsatzes der
OEF-Truppen. Die Einsätze der Bundeswehr müssen im
Parlament beschlossen werden. Grundlage dieser Beschlüsse ist
gewöhnlich eine Offenlegung der Arbeit der Soldaten, welche
möglichst allen Abgeordneten zugänglich sein sollte.
Über die Arbeit von OEF wird jedoch in den Medien sehr
selektiv, wenig objektiv und häufig nur im Zusammenhang mit
sog. „Kollateralschäden“, „zivilen
Opfern“ und der offensichtlich fehlenden Sensibilität
gegenüber der afghanischen Kultur berichtet. Ich möchte
nicht, dass deutsche Soldaten damit in Zusammenhang gebracht
werden.
5. Das
OEF-Mandat in Afghanistan ist ein wichtiger Bestandteil des
gesamten deutschen Engagements im Rahmen von OEF. Zu diesem
zählen auch die deutschen OEF Truppen am Horn von
Afrika.
Im Falle
weiterer militärischer Auseinandersetzungen in der Region -
zum Beispiel bei einem US-Angriff auf den Iran - dürfte es
schwierig bis unmöglich werden, die dort stationierten
deutschen Truppen aus dem Einsatz herauszuhalten, zumal, wie oben
beschrieben, der NATO-Bündnisfall noch immer Grundlage des
OEF-Einsatzes ist.
Eine aktive
oder passive Involvierung deutscher Truppen in weitere Konflikte im
Nahen und Mittleren Osten ist aber in jedem Fall zu vermeiden. Sie
ist bei einer unveränderten Beteiligung Deutschlands am
OEF-Einsatz aber nicht mit ausreichender Sicherheit zu
verhindern.
Ich lehne
daher aus den oben angeführten Gründen die Fortsetzung
des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen von
OEF ab.“
|