Rede im
Deutschen Bundestag am 1. Februar 2007
Mädchen und
Frauen vor Genitalverstümmelung schützen - Antrag
B90/GRÜNE
Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen
ächten und bekämpfen - Antrag FDP
Weibliche
Genitalverstümmelung verhindern - Menschenrechte durchsetzen -
Antrag DIE LINKE
Frau
Präsidentin,
meine sehr
verehrten Damen und Herren,
ich
begrüße die heute zur Diskussion stehenden Anträge
der Grünen, der FDP und der Linken. In der Problembeschreibung
und im Forderungskatalog unterscheiden sie sich kaum. Darum kann
ich mir auch gut vorstellen, dass wir uns über einen
interfraktionellen Antrag verständigen könnten. Die
Einführung eines eigenen Straftatbestandes kann sicherlich
geprüft werden. Gefordert wurde dies auch bei der Berliner
Konferenz, die unter anderem vom Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Dezember 2006
organisiert wurde. Mit einer speziellen Gesetzgebung könnte
Klarheit und Nachdruck in der öffentlichen Debatte geschaffen
werden. Aber Änderungen im Strafrecht allein reichen nicht
aus, um Frauen und Mädchen zu schützen. Es müssen
weitere Schritte hinzukommen. Auch darin sind wir uns
einig.
Lassen Sie
mich einen Blick zurückwerfen: Am 17. Juni 1998 hat der
Bundestag die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen
als schwerwiegende Menschenrechtsverletzung verurteilt. Sie ist
durch kulturelle oder religiöse Traditionen nicht zu
rechtfertigen. Alle Fraktionen waren sich einig, dass die
Beschneidung ein Verstoß gegen das Grundgesetz und eine
Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit ist.
Wenige Wochen
davor, am 1. April 1998, trat das 6. Gesetz zur Reform des
Strafrechts in Kraft. Die Vorschriften nach denen
Genitalverstümmelung als Körperverletzung oder
Misshandlung Schutzbefohlener bestraft wird, wurden
verschärft. Im Jahr 1999 hat die damalige rot-grüne
Bundesregierung einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen aufgelegt, der explizit Maßnahmen zur
Bekämpfung der Genitalverstümmelung benennt.
Mit dem
Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 wurden die
Rechte der Frauen gestärkt. Seitdem wird nicht nur Schutz vor
Übergriffen nichtstaatlicher Täter gewährt, sondern
auch geschlechtsspezifische Verfolgung anerkannt. Damit erhalten
Frauen bei einer drohenden Verstümmelung Abschiebeschutz nach
der Genfer Flüchtlingskonvention.
Für diese
Legislaturperiode steht die Fortschreibung des Aktionsplans zur
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen an. Dies ist im
Koalitionsvertrag festgeschrieben. Begrüßenswert sind
die im Jahr 2006 herausgegebenen Empfehlungen der
Bundesärztekammer für Ärztinnen und Ärzte,
denen es oft an Erfahrungen mit beschnittenen Patientinnen fehlt.
Von internationaler Bedeutung ist auch die bei der Kairoer
Konferenz im November 2006 erfolgte Ächtung durch
Islam-Gelehrte.
In der
Vorbereitung auf die heutige Rede habe ich mir die
Aktionspläne in Großbritannien und in Norwegen gegen
weibliche Genitalverstümmelung genauer angesehen. Das
Kernstück des norwegischen Aktionsplans besteht aus
Maßnahmen, die vier Ziele umfassen: die Verhinderung der
Genitalverstümmelung von Mädchen, die im Land leben; die
Hilfe für Mädchen und Frauen, die bereits genital
verstümmelt sind; die Kooperation mit Organisationen und
Einzelpersonen, wobei statt eines konfrontativen ein kooperativer
Ansatz verfolgt wird und das Engagement auf internationaler Ebene.
Ich meine, dies ist beispielhaft.
In wenigen
Tagen, am 6. Februar ist der 5. internationale Tag „Null
Toleranz gegenüber weiblicher
Genitalverstümmelung“. Die UN-Sonderbotschafterin Waris
Dirie hat gestern in München eine Unterrichtsmappe von Terre
des Femmes vorgestellt. Ich unterstütze dieses Engagement an
Schulen ausdrücklich und schließe mich ihrem Appell
an:“ Information und Bildung sind unsere stärksten
Waffen im Kampf gegen dieses frauenverachtende Ritual. Wenn es uns
gelingt, unsere Grenzen im Kopf zu überwinden, können wir
alles erreichen.“
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