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Renate Gradistanac
Mitglied des Deutschen Bundestages
SPD
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4. Dezember 2008

Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern - gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

neunzig Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sind Frauen in den Parlamenten immer noch unterrepräsentiert. Unterrepräsentiert sind Frauen aber nicht nur in der Politik. Fünfzig Jahre nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes gibt es für eine tatsächliche Gleichberechtigung auf allen Ebenen noch viel zu tun.

Frauen sind heute gut ausgebildet, ihr Anteil unter den Studierenden ist deutlich angestiegen und die Abschlüsse von Frauen sind nicht selten besser als die von Männern. Aber auch bei guten Startchancen im Beruf ist es für Frauen nach wie vor wesentlich schwieriger bei gleicher Tätigkeit auch die gleiche Bezahlung wie ihre männlichen Kollegen zu erhalten oder in Führungspositionen aufzusteigen. Frauen sind häufiger als Männer von Arbeitslosigkeit und Altersarmut betroffen.

Die höheren Männerverdienste können schon lange nicht mehr mit besseren Qualifikationen erklärt werden. Führungspositionen werden vornehmlich von Männern wahrgenommen, obwohl keine großen Unterschiede beim Bildungsabschluss festzustellen sind. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung lassen sich nur 38 Prozent der Lohndifferenz unter vollbeschäftigten Frauen und Männern durch Ursachen wie Teilzeitarbeit, Kinder, Berufserfahrung oder den sinkenden Frauenanteil bei steigenden Hierarchiestufen erklären. Die restlichen 62 Prozent können rational nicht erklärt werden. Ursachen hierfür sind nach Ansicht der Forscherinnen unter anderem institutionelle und kulturelle Rahmenbedingungen, die sich diskriminierend auswirken. Dass die Verbesserung der Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt auch Aufgabe der Politik ist, spiegelt sich in den beiden Anträgen der Linken und der FDP wider, die wir heute diskutieren.

EU-Kommissar Spindla hat das europäische Lohngefälle zwischen Männern und Frauen gerade eben erst erneut kritisiert. Ich zitiere: „Eine Differenz von 15 Prozent ist inakzeptabel, besonders wenn man bedenkt, dass 60 Prozent der neu geschaffenen Stellen von Frauen besetzt werden.“ Das Statistische Bundesamt hat den Verdienstabstand für das Jahr 2006 erstmals auf einer erweiterten Datenbasis erhoben. Der Bruttostundenverdienst von Frauen lag sowohl im Jahr 2006 als auch im Jahr 2007 um 23 Prozent unter dem der Männer. Das deutsche Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist erst recht inakzeptabel, meine Damen und Herren.

Differenziert man den Verdienstabstand nach unterschiedlichen Branchen, so zeigt sich, dass es keinen Wirtschaftszweig gibt, in dem Frauen mehr verdienen als Männer. Der Verdienstabstand variiert je nach Wirtschaftszweig erheblich. Am größten ist er mit 30 Prozent im Bereich der Unternehmensnahen Dienstleistungen und beim Kredit- und Versicherungsgewerbe mit 29 Prozent.

Auch bei der Berufswahl gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Während gut bezahlte Berufe immer noch Männersache sind, arbeiten Frauen überwiegend in schlecht bezahlten Berufen. So sind 81,5 Prozent der Stellen als Geschäftsführer und Geschäftsbereichsleiter in unserem Land mit Männern besetzt. Bei einem Bruttojahresverdienst von 91.180 Euro beträgt der Frauenanteil in dieser Berufsgruppe gerade einmal 18,5 Prozent. Der Bruttojahresverdienst von Friseuren liegt bei 15.787 Euro, bei einem Frauenanteil von 90,8 Prozent und einem Männeranteil von nur 9,2 Prozent.

An geringsten ist der Verdienstabstand noch beim Einstieg in das Berufsleben. Im Jahr 2006 lag er bei den 25- bis 29-Jährigen bei 8 Prozent. Bei den 35- bis 39-Jährigen springt der Verdienstabstand auf 21 Prozent. Am größten ist er bei den 60-Jährigen mit 30 Prozent. Warum der Verdienstabstand auf einmal um mehr als das 2,5- fache ansteigt, erklärt sich, wenn man das Alter von Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes berücksichtigt. Dieses liegt im Durchschnitt bei knapp 30 Jahren. Der Anschluss an die Verdienstentwicklung der Männer wird also auch durch Erwerbsunterbrechungen und Kindererziehungszeiten verpasst.

Erziehungsbedingte Erwerbsunterbrechungen schaden aber nicht nur den Karrierechancen von Frauen. Gravierend wirkt sich auch aus, dass eine Rückkehr in den Beruf für viele Frauen einen Wechsel von der Vollzeit- in die Teilzeitbeschäftigung oder einen Minijob bedeutet. Wahrend die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen mit zunehmendem Alter abnimmt, bleibt die Zahl der vollzeitbeschäftigten Männer nahezu konstant.

Teilzeitbeschäftigung ist mit finanziellen Nachteilen verbunden. So hat sich zwar bundesweit der Anteil beruftätiger Frauen erhöht. Im Zeitraum von 2001 bis 2006 stieg er von 58,7 auf 61,5 Prozent und liegt damit über dem europäischen Mittel. Umgerechnet auf Vollzeitstellen stagniert der Anteil aber mit 26,5 Prozent seit Jahren und liegt unter dem EU-Durchschnitt von 48,8 Prozent. Die von Frauen insgesamt geleistete Wochenarbeitszeit sank gleichzeitig von durchschnittlich 31,5 auf 30,2 Stunden. Im Europavergleich handelt es sich um die zweitkürzesten Frauenarbeitszeiten nach den Niederlanden. Ursächlich hierfür sind der starke Anstieg der Beschäftigung von Frauen in Teilzeit oder Mini-Jobs.

Frauen bleiben somit finanziell von ihren Partnern abhängig. Die traditionelle Rollenverteilung bleibt erhalten, denn der Frauenverdienst hat nur den Charakter eines „Hinzuverdienstes“. Von einer gleichberechtigten Arbeitsaufteilung zwischen den Geschlechtern sind wir also noch immer weit entfernt. Dies zeigt sich auch darin, dass die durchschnittliche Arbeitszeit von Müttern mit jedem Kind sinkt. Was ist aber mit den Ehemännern und Vätern, meine Damen und Herren? Sie machen trotz oder, wie Studien belegen, gerade weil sie Familie haben, erfolgreich Karriere. Bei den Männern ist es genau umgekehrt wie bei den Frauen: Je mehr Kinder ein Mann hat, desto länger sind seine Arbeitszeiten.

In kaum einem anderen EU-Land sind traditionelle Rollenbilder so zementiert wie in Deutschland. Dies bestätigt auch die größte Singlestudie Deutschlands. Sie kommt aktuell zu dem Ergebnis, dass heterosexuelle Männer sich eine intelligente Partnerin wünschen, die eigenständig ist und mit ihnen auf Augenhöhe diskutieren kann. Karriereorientiert und gut verdienend soll sie aber nicht sein. Nur jeder vierte Mann wünscht sich eine Frau, die Erfolg im Berufsleben hat. Die Versorgung von Kindern ist für die meisten Männer immer noch vorrangig Frauenarbeit.

Ich kann nur hoffen, dass das Elterngeld mit den Vätermonaten hier langfristig zu einer Veränderung traditioneller Rollenbilder und konservativer Einstellungen führt. Solange aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor allem als Problem der Mütter wahrgenommen wird, ist der zügige Ausbau der Kinderbetreuung mit dem von der SPD durchgesetzten Rechtsanspruch ab Eins von großer Bedeutung.

Unser Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz wirkt, meine Damen und Herren. Zum ersten Mal hat eine Frau in Deutschland einen Prozess bezüglich ihrer Nichtbeförderung anhand eines mathematischen Gutachtens gewonnen. Der statistische Nachweis für die Diskriminierung ist eigentlich ganz einfach: Im Unternehmen liegt der Frauenanteil bei 85 Prozent. Es gibt keine Frau in der obersten Führungsebene. Die Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass dies aus reinem Zufall so ist, liegt unter einem Prozent. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten freuen uns sehr über dieses Urteil. Es ist ein wegweisender Schritt in die richtige Richtung. Es ist wünschenswert, dass mehr Frauen diesen Schritt wagen.

Vor kurzem hat das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert, konkrete Vorschläge zur Überwindung des Lohngefälles vorzulegen. Kritisiert wurde, dass das Ziel der Entgeltgleichheit von den meisten Mitgliedsstaaten nicht energisch genug verfolgt werde.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten teilen diese Meinung. Wir fordern deshalb mehr Transparenz bei den Löhnen und Gehältern. Das Lohntest-Modell der Schweiz kann als Grundlage für die Entwicklung eines Lohntest in Deutschland dienen. Hier ist die Bundesregierung gefordert. Wir wollen ein diskriminierungsfreies Steuerrecht. Das Ehegattensplitting und die Steuerklassen müssen umgestaltet werden, denn sie befördern traditionelle Rollenbilder. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern die Einführung flächendeckender Mindestlöhne. Vor allem für Frauen bringt das Vorteile. Denn viele von ihnen arbeiten heute noch zu Niedriglöhnen. Dem würde ein Mindestlohn einen Riegel vorschieben. Wir brauchen ein Gesetz zur Gleichstellung in der Privatwirtschaft, denn die freiwillige Vereinbarung zwischen Wirtschaft und Bundesregierung ist nicht einmal halbherzig umgesetzt worden. Norwegen mit seiner quotierten Besetzung von Aufsichtsratsposten mit Frauen, zeigt uns, wie man Führungspositionen konsequent mit Frauen besetzen kann - wenn man es ernsthaft will.

Gleiche und gleichwertige Arbeit muss endlich gleich bezahlt werden, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion. Sorgen sie dafür, dass wir nach langer Diskussion endlich auch einen gemeinsamen Antrag in den Bundestag einbringen können. Lassen Sie ihre Berichterstatterin und ihren frauenpolitischen Sprecher nicht im Regen stehen, die am 30. Mai 2008 in einer Pressemitteilung verkündet haben, ich zitiere: „Endlich werden erste Schritte erkennbar, um die gravierenden Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern zu bekämpfen! Der rechtlichen Gleichstellung von Frauen im Berufsleben muss die tatsächliche Gleichstellung bei Entgelt und Aufstiegschancen folgen.“ Lassen Sie Worten endlich Taten folgen.