Rede im
Deutschen Bundestag am 9. März 2006
anlässlich des Internationalen Frauentags
Gleichstellung
auf dem Arbeitsmarkt verwirklichen -
Innovationshemmnis Männerdominanz beenden - Antrag
B90/GRÜNE
sowie
Frauenpolitik - Gesellschaftlicher Erfolgsfaktor - Antrag
FDP
Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes auf dem Arbeitsmarkt
durchsetzen - Antrag DIE LINKE
Frau
Präsidentin,
meine sehr
verehrten Damen und Herren,
der
diesjährige 95. Frauentag ist der erste Frauentag in
Deutschland mit einer Frau an der Spitze, Frau Bundeskanzlerin Dr.
Angela Merkel. Frauen kämpfen noch immer gegen Vorurteile und
traditionelle Frauenbilder in den Köpfen von Männern.
Aber: Auch viele Frauen haben ein konservatives Rollenbild, an dem
sie sich ausrichten. Konservative Männer und Frauen erschweren
den Anstieg der Zahl weiblicher Vorbilder. Wir brauchen mehr Frauen
an denen Frauen sich orientieren können. Aber wie heißt
es so schön - eine Schwalbe macht noch keinen
Sommer!
Wo sind denn
Frauen gleichberechtigt in Gremien oder an der Spitze von
Organisationen vertreten?
- nicht im
Bundestag: Von 33 CDU-Abgeordneten aus Baden-Württemberg sind
gerade einmal 2 Frauen. Bei der SPD sind es 10 von 23
Abgeordneten.
- nicht beim
DIHK: Bei der Spitzenorganisation der Industrie- und Handelskammern
ist nicht eine Frau im Vorstand zu finden.
- nicht beim
Handwerk: Im Präsidium des ZDH ist nur eine Frau vertreten. -
nicht bei den Arbeitgeberverbänden: Unter den 89 Mitgliedern
im BDA-Vorstand finden sich 4 Frauen.
- nicht bei
den Banken: Frauen in Vorstandsetagen - Fehlanzeige! Vorstand des
Bundesverbandes Deutscher Banken - Fehlanzeige, Vorstand des
Bundesverbandes Öffentlicher Banken - Fehlanzeige, Vorstand
der Deutschen Bundesbank - Fehlanzeige. Im Vorstand
KfW-Bankengruppe sitzt eine Frau - Ingrid
Matthäus-Maier.
- auch nicht
bei den Gewerkschaften: Keine Frau ist Vorsitzende der 8
DGB-Gewerkschaften. Von den 13 Mitgliedern im Bundesvorstand des
DGB sind 2 Frauen.
Da wo Macht
und Geld verteilt werden, muss frau schon ganz genau hinschauen, um
überhaupt eine Frau zu finden und um Fortschritte zu erkennen.
In den obersten Leitungsebenen von Betrieben und im Topmanagement
findet Gleichstellung im Schneckentempo statt und das schon seit
Jahrzehnten - leider.
Der Antrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stößt bei mir
auf viel Sympathie. Vor allem gefällt mir die
Überschrift: „Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt
verwirklichen - Innovationshemmnis Männerdominanz
beenden.“ Diese Überschrift provoziert - werden einige
sagen. Ich finde, es ist eine unerträgliche Provokation, dass
Frauen in Deutschland im Durchschnitt immer noch 23 Prozent weniger
verdienen als Männer.
Im
Grünen-Antrag wird darauf hingewiesen, dass die Unterschiede
nicht durch strukturelle Differenzen zu erklären sind, sondern
allein direkter Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
zugeschrieben werden müssen. Ich erwarte von den
Tarifpartnern, sich endlich einmal dem Thema Gleichstellungspolitik
zuzuwenden und zwar nicht nebenbei - sondern entschlossen und
prioritär! Hier sind die Arbeitgeberseite und die
Gewerkschaftsvertreter gefordert. Ich nenne beispielhaft die Herren
Hundt und Sommer.
Gleicher Lohn
für gleichwertige Arbeit! Wie lange sollen gut- und
bestausgebildete Frauen, wie lange sollen Frauen aller
Einkommensstufen, Lohndiskriminierungen eigentlich noch hinnehmen?
Das rot-grüne Antidiskriminierungsgesetz, das in der letzten
Legislaturperiode leider, leider nicht durchsetzbar war, bietet
hier gute Möglichkeiten.
Die dort
geforderte nationale Stelle - mein Wunsch: angesiedelt beim BMFSFJ
- halte ich für ein hilfreiches Instrument, um bestehende
Diskriminierungen abzubauen. Voraussetzungen hierfür sind
Unabhängigkeit und eine ausreichende finanzielle und
personelle Ausstattung. Ich will, wir wollen, dass der
Diskriminierungsschutz sowohl im Zivilrecht als auch im Arbeits-
und Sozialrecht für Frauen jeden Alters, für
Migrantinnen, Lesben und für Frauen mit Behinderungen gilt.
Gerade Frauen mit Behinderungen, das zeigt der 2. Armuts- und
Reichtumsbericht, erzielen deutlich niedrigere persönliche
Einkommen als Männer mit Behinderungen.
Meine Damen
und Herren, leider - und das ist meine persönliche Meinung -
ist es während der rot-grünen Regierungszeit nicht
gelungen ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft
durchzusetzen. Die Bilanz der freiwilligen Vereinbarung von
Bundesregierung und den Spitzenverbänden der Wirtschaft sind
kein Grund zum Jubeln. Es gibt Bewegung beim Thema Vereinbarkeit
von Familie und Beruf. Aber: Wir SPD-Frauen wollen nicht nur eine
Familienförderung, wir wollen auch eine gezielte
Frauenförderung.
Auffallend
ist, dass kleine Betriebe häufiger von Frauen geführt
werden als große. Weibliche Führungskräfte sind
überwiegend in Betrieben des Gesundheits- und Sozialwesens, im
Groß- und Einzelhandel sowie im Bereichen Gastronomie und
Kosmetik anzutreffen. Deshalb ist auch die
EU-Dienstleistungsrichtlinie für uns Frauen von großer
Bedeutung. Der Kompromiss, den wir maßgeblich der
SPD-Europaabgeordneten Evelyne Gebhardt zu verdanken haben, bietet
eine gute Arbeitsgrundlage für EU-Kommission und Rat. Ich
plädiere dafür, die Dienstleistungsrichtlinie vom
GenderKompentenzZentrum evaluieren zu lassen.
Die
Gleichstellung der Geschlechter ist im Rahmen der
Lissabon-Strategie ein Instrument für Wachstum und
Beschäftigung. Mehr Arbeitsplätze für Frauen ist
eines der Ziele, deren Erreichung ich auch von dieser
Bundesregierung erwarte und zwar Arbeitsplätze für Frauen
mit existenzsichernden Löhnen.
Wir
können den Wettbewerb nur gewinnen, wenn die Kinderbetreuung
uneingeschränkt gesichert ist. Väter und Mütter
müssen sich darauf verlassen können, dass die
Infrastruktur in jedem Kindesalter verlässlich ist. Mit dem
Tagesbetreuungsausbaugesetz und dem Ganztagsschulprogramm haben wir
in der letzten Legislaturperiode eine gute Grundlage geschaffen.
Mit der Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten und dem
zukünftigen Elterngeld gehen wir diesen Weg weiter. So fordern
die Dienstleistungsverbände in ihrem Positionspapier zur
Landtagswahl in Baden-Württemberg zu Recht einen
Betreuungsplatz für jedes Kind bis zum Schulalter und
bedarfsgerechte Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen,
und zwar - das ist für berufstätige Menschen wichtig -
ganzjährig und über 16 Uhr hinaus.
Deutschland
ist bereits Fußball-Weltmeister! Nach den Frauen ist es nun
an den Männern, zu zeigen, was sie können. Klaus Wowereit
und Theo Zwanziger sind Schirmherren der Kampagne „Abpfiff -
Schluss mit Zwangsprostitution“, die der Deutsche Frauenrat
anlässlich der Fußballweltmeisterschaft gestartet hat.
Frauenhandel und Zwangsprostitution sind kriminell und verletzen
die Menschenwürde. Von den Männern, die zu Prostituierten
gehen, wünsche ich mir, dass sie bei Verdacht auf Zwang oder
Gewalt Meldung erstatten. Den Frauen, die legal und selbst bestimmt
der Prostitution nachgehen, wünsche ich gute
Geschäfte.
Ich hoffe,
dass wir in Kürze weitere gesetzliche Verbesserungen für
Prostituierte erreichen werden. Frau Ministerin von der Leyen, wir
unterstützen Sie gerne, das haben wir Ihnen schon im Ausschuss
versichert, als sie die Vorhabenplanung im Bereich der
Gleichstellungspolitik vorgelegt haben. „Wer etwas leisten
will, muss fröhlich sein“, so Fontane. Ich wünsche
Ihnen Frau Ministerin von der Leyen und Frau Bundeskanzlerin Merkel
viel Freude und Erfolg bei der Gleichstellungspolitik.
|