Rede im
Deutschen Bundestag am 21. Januar 2005
Antidiskriminierungsgesetz - SPD,
B90/Grüne
Entwurf
eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer
Antidiskriminierungsrichtlinien
Herr
Präsident,
meine sehr
verehrten Damen und Herren,
„wenn
die Gerechtigkeit untergeht, hat es keinen Wert mehr, dass Menschen
auf Erden leben“, sagt Kant. Ein hartes Wort. Aber: Wir alle
wissen, wie es ist, wenn wir ungerecht behandelt werden; wie
sensibel wir reagieren, wenn wir das Gefühl haben, einer
Benachteiligung oder Diskriminierung ohnmächtig gegenüber
zu stehen.
Mit der
heutigen ersten Lesung unseres Antidiskriminierungsgesetzes wollen
wir erreichen, dass die Antidiskriminierungskultur in Deutschland
einen höheren Stellenwert erfährt. Die
Antidiskriminierungskultur muss als wesentlicher gesellschaftlicher
Wert gesehen werden. Dazu braucht es eine breite öffentliche
Unterstützung. Mit diesem Gesetz werden nicht nur vier
EU-Gleichbehandlungsrichtlinien umgesetzt. Es steht auch im
Zusammenhang mit der internationalen Weiterentwicklung des Schutzes
aller Menschen vor Diskriminierungen. Das Gesetz verbietet die
Benachteiligung von Menschen aufgrund des Geschlechts, der
ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Alters,
aufgrund einer Behinderung oder der sexuellen
Identität.
Als
Sozialdemokratin bin ich stolz auf unser Lebenspartnerschaftsgesetz
und das Ergänzungsgesetz mit Verbesserungen für
gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Geht es doch darum, dass
zwei erwachsene Menschen füreinander Verantwortung
übernehmen. Im Gegensatz zu Frau Merkel bin ich der Meinung,
dass auch hier Treue, Verlässlichkeit, Bindung, Geborgenheit,
Halt und soziale Verantwortung weitergegeben werden.
Nach der
Ermordung von Rudolph Moshammer geisterten Begriffe wie
„Ermittlungen im Homosexuellenmilieu“ durch die Medien.
Niemand titelte später: „Täter aus dem
Heterosexuellenmilieu“. Dies käme uns auch absurd vor.
Dass Homosexualität dadurch in die Nähe von
Kriminalität gerückt wurde, haben nur die Betroffenen,
Schwule und ihre Verbände, öffentlich kritisiert. Der
CSU-Kollege Norbert Geis bezeichnete Homosexualität gar als
Perversion der Sexualität. Für andere ist
Homosexualität immer noch wider die Natur, eine Sünde,
eine Krankheit oder Krise der Identität.
Rückblickend auf meine sechs Jahre
Abgeordnetentätigkeit muss ich feststellen: Ich habe bei
keinem anderen Thema so viele unangemessene und abstoßende
Emails und Briefe erhalten, vor allem von Männern. Ich
wünsche mir, dass sich die Menschen endlich mit ihren eigenen
Ängsten und Vorurteilen auseinandersetzen und diese nicht auf
andere projizieren. Und ich wünsche mir, dass zu guter Letzt
auch die Kirchen ihre Standpunkte überdenken.
Wir jedenfalls
setzen mit unserem Antidiskriminierungsgesetz ein weiteres Zeichen
zur Anerkennung unterschiedlicher sexueller Identitäten.
Lesben und Schwule, aber auch bisexuelle, transsexuelle und
zwischengeschlechtliche Menschen können künftig
selbstbewusster und selbstverständlicher ihre Identität
leben und besser am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, so auch am
Arbeitsplatz. Viele Lesben und Schwule verheimlichen ihre sexuelle
Identität, weil sie Diskriminierungen durch Kolleginnen und
Kollegen oder auch durch Vorgesetzte befürchten. Eine Studie
kommt zu dem Ergebnis, dass nur 4 Prozent am Arbeitsplatz immer
offen mit ihrer Homosexualität umgehen konnten. Man
könnte einwenden, dass die sexuelle Identität etwas
Privates ist. Dieser Einwand kann nicht gelten, wenn Menschen
aufgrund Ihrer sexuellen Identität gegen Vorurteile und
Benachteiligungen im Beruf zu kämpfen haben; wenn sie in der
Angst leben, einen Arbeitsplatz zu verlieren oder erst gar nicht zu
bekommen. Lesben und Schwule sollen zukünftig auch weniger
Probleme bei der Wohnungssuche, beim Abschluss von Versicherungen,
bei der Hotelsuche und bei Restaurantbesuch haben; da würde
sich noch einiges mehr anführen lassen.
Als Feministin
mit dem typisch schwäbischen Namen Gradistanac weiß ich,
dass Gesetze Diskriminierungen, die Herabsetzung und
Entwürdigung von Menschen nicht immer verhindern. Aber
künftig können sich Betroffene besser und wirkungsvoller
zur Wehr setzen. Unterstützung erfahren sie einmal durch die
Antidiskriminierungsstelle, die berät, informiert, und
vermittelt und zum andern durch die erweiterten
Hilfemöglichkeiten der Verbände, die Diskriminierte
ermutigen - das wünsche ich mir jedenfalls-, damit
Diskriminierte zu ihrem Recht kommen.
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