Rede im
Deutschen Bundestag am 22. September 2006
Beratung des
Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung gem. § 56a GO
„Technikfolgenabschätzung (TA) TA-Projekt:
„Zukunftstrends im Tourismus“
Frau
Präsidentin,
meine sehr
verehrten Damen und Herren,
ich freue mich
sehr, dass wir heute im Bundestag über „Zukunftstrends
im Tourismus“ sprechen. Der TA-Bericht geht auf eine
Initiative meines Tourismusausschusses zurück. Ich danke dem
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen
Bundestag für die hervorragende Arbeit, insbesondere Frau
Scherz, Herrn Petermann und Herrn Revermann.
Der Bericht
ist in drei Schwerpunkte gegliedert: 1. demographischer Wandel in
Deutschland, 2. EU-Osterweiterung und die Auswirkungen auf den
Tourismus und 3. Reisen angesichts von Risiken und
Krisen.
Die
Tourismuswirtschaft gilt weltweit als die Leitökonomie der
Zukunft. Und besonders deshalb ist es auch wichtig, dass wir in
Deutschland, in den Ländern und in den Tourismusregionen,
relevante Entwicklungen rechtzeitig erkennen und uns darauf
einstellen.
Die Ergebnisse
des Berichtes liegen seit einiger Zeit vor und wurden auch da und
dort diskutiert. Bei meinen Veranstaltungen in Bad Wildbad im
Schwarzwald und in Munderkingen am Rande der schwäbischen Alb
stießen die Ergebnisse auf außerordentlich großes
Interesse. Dies freut mich besonders. Zeigt es doch, dass die
Mehrheit der Branche interessiert ist, sich auf die
Herausforderungen - aber auch Chancen - der Zukunft
vorzubereiten.
In meiner Rede
möchte ich insbesondere auf den demographischen Wandel
eingehen, auch deshalb, weil dieses Thema auf den Vorschlag meiner
SPD-Arbeitsgruppe zurückgeht. Die Bevölkerungszahl
schrumpft, die deutsche Gesellschaft altert. Das lässt sich
eindrücklich in Statistiken ablesen. Einige Zahlen: 1994 waren
15,4 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in Deutschland
übers 65 Jahre. Ende 2004 waren es 18,6 Prozent. Im Jahr 2050
sollen 37 % der Bevölkerung über 60 sein.
Die Reiselust
älterer Menschen wächst stetig. Unter allen Altersgruppen
in Deutschland geben sie den höchsten Anteil ihres Einkommens
für Reisen aus. Seniorenhaushalte verwendeten im Jahr 2003 4,1
Prozent ihres Konsumbudgets für Pauschalreisen. Der
Durchschnitt aller Altersgruppen lag bei 2,7 Prozent. Die so
genannten „Best Ager“, Jungsenioren im Alter von 50 bis
64 Jahren machen die meisten Urlaubsreisen.
Die
Tourismusbranche wird sich daher auf das zunehmende Alter ihrer
Kundinnen und Kunden einstellen müssen. Nicht nur
Marktforscher sind der Meinung, dass die Seniorinnen und Senioren
in absehbarer Zeit zum Wachstumsmotor der Branche werden.
Ältere Menschen wollen heutzutage keine
„Seniorenreisen“ buchen. Sie sind gesünder,
aktiver und mobiler. Es gilt vermehrt touristische Angebote zu
entwickeln, die sich auf die Erwartungen der Seniorinnen und
Senioren einstellen. Dies gilt sowohl für die Gruppe der
Älteren, die viel Geld ausgeben können, als auch für
die Gruppe, die gerne reist, aber über ein kleineres Budget
verfügt.
Die Branche,
so meine Beobachtung, ist sensibilisiert. Das nächste Jahr ist
das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für
alle“. Die Frage ist, was verbessert werden muss, um jeder
Zielgruppe gleiche Chancen zu ermöglichen. Dies gilt
insbesondere für den barrierefreien Tourismus, wo es noch
Nachholbedarf gibt. Das wissen wir spätestens seit unseren
Wettbewerb „Familienzeit ohne Barrieren“ aus dem Jahr
2003. Die Jury stieß damals auf ausgezeichnete Angebote, die
exzellent erarbeitet waren. Es gab aber auch Fälle von
erschreckender Unkenntnis. Wettbewerbe auf Bundes- und
Länderebene stellen positive Beispiele heraus, an denen sich
andere orientieren sollten. Bei den Haushaltsberatungen für
2007 freuen wir uns, dass der barrierefreie Tourismus benannt wird.
Wir wünschen uns aber mehr Mittel, um die Barrierefreiheit
wirklich voranzubringen.
Meine Damen
und Herren, um bis ins höchste Alter fit und vital zu bleiben,
gewinnt Prävention immer mehr an Bedeutung. Urlaub für
die Gesundheit, kombinierte Fitness- und Wellnessangebote, sind
zunehmend gefragt. Besonders medizinische Wellnessangebote sind ein
Wachstumsmarkt. Allerdings muss das Fachpersonal hierfür
hervorragend qualifiziert sein.
Das Wandern,
das lange Zeit als verstaubte Sportart galt, erlangt eine ungeahnte
Renaissance. Bei mir im Schwarzwald gibt es den „Wanderhimmel
Baiersbronn“. Vielleicht haben Sie Lust, einmal zu kommen. Es
ist ein gelungenes Beispiel, wie das Wandern zu einem
ganzheitlichen Erlebnis aus Fitness, Entspannung, Naturerleben und
Geselligkeit werden kann. Lassen Sie mich ein zweites Beispiel aus
dem Schwarzwald nennen. Ich bin mir sicher, dass meine Kolleginnen
und Kollegen ähnliche Beispiele aus ihren Regionen nennen
können. Ein Viersternehotel mit angeschlossener Landwirtschaft
hat zum Schwarzwälder Fuchsfest eingeladen. Die regionale
Identität wird bewusst gestärkt und herausgestellt.
Auffallend war, dass dort viele Großeltern mit ihren
Enkelkindern waren. Diese haben dort einen besonders schönen
Tag erlebt.
Der zweite
Schwerpunkt des Berichts, die EU-Osterweiterung stellt die deutsche
Tourismuswirtschaft vor Herausforderungen. Sie bringt auch Chancen.
Prognosen kommen zu dem Ergebnis, dass die deutsche
Tourismuswirtschaft aller Voraussicht nach mittelfristig zu den
Gewinnern der EU-Osterweiterung zählen wird.
Reisen im
Angesicht von Risiken und Krisen sind die dritte Säule des
Berichts. Darunter versteht man Gewalt, Kriminalität, Terror,
Gesundheitsrisiken, Naturkatastrophen und den Klimawandel. Der
globale Klimawandel wird weitere ernsthafte Folgen für Wetter
und Natur haben. In dem Projekt „Klimawandel - Auswirkungen,
Risiken und Anpassungen“ - kurz KLARA - sind die Folgen
für Baden-Württemberg erforscht worden. Es ist im
ureigenen Interesse der Tourismusbranche, sich mit den Ergebnissen,
auf die ich jetzt nicht näher eingehen kann,
auseinanderzusetzen. In der geplanten Anhörung haben wir die
Möglichkeit, alle Punkte ausführlich zu
behandeln.
Klar ist:
Bund, Länder und Tourismusbranche sind gefordert. Mit diesem
Bericht und den Ergebnissen der Anhörung verbinde ich die
Erwartung, dass die Bundesregierung ein touristisches Leitbild
für Deutschland entwickelt.
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