Anti-Piraten-Forum vom 26.11.2008: Ein Protokoll |
November 2008 |
CDU-Küstenkreis und SPD-Küstengang haben zu einem
gemeinsamen „Anti-Piraten-Forum“ betroffene Reeder,
PSts., Vertreter von Ministerien und Parlamentarier/innen der
Koalition eingeladen. Zunächst kam die betroffene Schifffahrt
zu Wort, danach alle vertretenen Ministerien. Allgemeine Fragen und
Antworten rundeten die Informationen ab und vertieften die
Erkenntnisse.
Begrüßt wurde, dass die UNO-Resolution 1816 vom 02.06.08 Piraterie als kriegerische Handlung ein stuft; die Kaperung des Tankers Sirius Star ist wie eine terroristische Aktivität einzuschätzen. Hauptangriffsgebiet der immer mehr und immer gefährlicher werdenden Piratenangriffe ist Somalia, speziell der Golf von Aden, aber auch vor anderen west- und ostafrikanischen Küsten finden Angriffe statt (sh. Z. B. auch den Tanker ‚Sirius Star’). Insofern dürfen neben Somalia grundsätzlich die anderen bedeutenden Angriffsgebiete von Piraten (z. B. die afrikanische Westküste, speziell der Hafen von Lagos) nicht als unbedeutend angesehen werden. Die zunehmende Piraterie bedroht nicht nur die Sicherheit der internationalen Seewege und die Sicherheit der Schiffsbesatzungen, sondern entwickelt sich darüber hinaus zu einer Gefahr für die Sicherheit des Welthandels. Piraterie ist nicht nur ein Verbrechen, sondern ist auf dem Weg, zum Terrorismus auf See zu werden, der zu einer Destabilisierung des internationalen Handels führen kann sowie zu Öl- und Umweltkatastrophen in den Ozeanen mit folgenschweren Auswirkungen. Piraterie kann langfristig wirksam nur von Land bekämpft werden, dies zeigen auch die erkennbaren Verbesserungen im Fahrtgebiet der Strasse von Malakka, die erreicht wurden, weil dort die Anrainerländer selbst die Piratenabwehr betreiben. Schneller Handlungsbedarf besteht aber jetzt für ein Mandat (Großraum Somalia, Golf von Aden), dass vor allem präventiv wirkt durch Schutz, Abschreckung und Abwehr von Piraten. Die zu erwartende Kooperation europäischer und weiterer Staaten auf klaren Rechtsgrundlagen und mit gemeinsamem Operationsplan zur Piratenabwehr und –bekämpfung für humanitäre Hilfe und gegen die Bedrohung des Welthandels wurde begrüßt. Der Schutz von Schiffen, Abschreckung und eine bestmögliche Aufklärung der Lage vor Ort sind militärische Fähigkeiten, die wirksam eingesetzt werden können und schnellstmöglich eingesetzt werden sollten. Die Nato ist mit einem italienischen Zerstörer, einer griechischen und einer britischen Fregatte seit Oktober 08 vor der somalischen Küste im Einsatz. Die Bereitschaft der Europäischen Union unter Mandat der UNO mit deutscher Beteiligung am 08. Dezember 2008 die multinationale Mission Atalanta zu starten, wurde einhellig als richtig und notwendig angesehen und begrüßt. Eine entsprechende Beteiligung der Hauptflaggenländer in die Einsätze gegen Piraterie wurde als wünschenswert formuliert. Ein international abgestimmter Operationsplan soll die wirksame Piratenabwehr koordinieren. Der Schutz der Handelsschiffe soll ebenso wie für die Welternährungshilfslieferungen vor allem durch Seegebietsüberwachung, -aufklärung, Abschreckung durch Präsenz und durch begleitete Konvoibildung organisiert werden. Zur Diskussion der Einschiffung bewaffneter Soldaten an Bord von Handelsschiffen wurde deutlich, dass es sich dabei um ein reines Angebot der Regierung handeln wird, das möglicherweise kaum auf entsprechende Nachfrage stoßen wird, weil befürchtet wird, dass es eskalierend wirken könnte. Wirksame Piratenbekämpfung kann langfristig zweifellos nur von Land aus erfolgen, indem Ursachen und ggf. regionale Unterstützung bekämpft werden. Hier sind nachdrückliche Aktivitäten der internationalen Staatengemeinschaft erforderlich. Jetzt ist aber vor allem schnelle Abhilfe gegen das Ausufern des Piratentums gefragt. Deutsche Beteiligung bei der Piratenbekämpfung auf See im Rahmen eines klaren EU-Mandats ist nach GG Art. 25 im Rahmen völkerrechtlicher Vereinbarungen als Nothilfe – auch nach dem Seerechtsübereinkommen – möglich und notwendig. Dies gilt im Rahmen der Vereinbarung der UNO mit Somalia für 6 Monate auch innerhalb der somalischen 12-m-Zone. Die Bundesregierung wird nach dem Ratsbeschluss der EU, der für den 8. Dezember 2008 erwartet wird, dem Parlament schnellstmöglich ein Strategie-Konzept für das Mandat gegen Piraterie vorlegen, das auf einer klaren Rechtsgrundlage für die Sicherheitskräfte pragmatisch aus-gerichtete wirkungsvolle Beteiligungsmöglichkeiten aufzeigt, so dass es bei internationalen Einsätzen nicht zu einer Sonderrolle der Bundesrepublik kommen muss. Die Vorlage wird dem Deutschen Bundestag voraussichtlich noch im Dezember vorliegen. Die Bemühungen von Reedern, die eigenen Schiffe und Besatzungen durch verbesserte Sicherheitsmaßnahmen zu schützen, wurden betont und begrüßt. Reeder sind verpflichtet zum Risikomanagement und zum Selbstschutz von Schiff, Besatzung und Gütern (z. B. durch Anti-Piraten-Wachen und bessere technische Abwehrmaßnahmen). Die internationalen Vereinbarungen gemäß dem International Ship and Port Security Code (ISPS) sollten eigentlich das An-Bord-Kommen von Terroristen / Piraten verhindern. Dies kann aber de facto dann nicht ausreichen, wenn Piraten mit schwerer Waffengewalt anrücken und die Besatzung bedrohen. Das BMVg betonte, dass trotz des eindeutigen Vorrangs der Prävention die Notwendigkeit eines robusten Mandats gegeben sei. Das BMJ erläuterte die rechtlichen Fragen am „end of the pipe“ im möglichen Falle der Strafverfolgung von Piratenüberfällen. Appelliert wurde an die Vertreter der Bundesregierung, dass bei allen Aktivitäten der internationalen Staatengemeinschaft der Schutz des Lebens der bereits als Geiseln genommenen Seeleute gewährleistet werden muss und dass ein Opferhilfe-Fonds, getragen von der internationalen Staatengemeinschaft und den Reedern für von Piratenüberfällen betroffene Besatzungsmitglieder ins Auge gefasst werden sollte. Die dramatische Aktualität und Entwicklung der Piraterie zeigt auch, dass weit mehr als bisher das Augenmerk auf die Ursachen dieser gefährlichen Entwicklung gelegt werden muss. |
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gez. Wolfgang Börnsen
MdB f. d. CDU-Küstenkreis |
gez. Dr. Margrit Wetzel
MdB f. d. SPD-Küstengang |
Berlin, 26. November 2008 |