Sehr geehrter Herr
Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Meere verbinden. Meere verbinden? Ganz sicher
nicht von selbst.
Zunächst einmal wissen die Menschen, die an den Küsten
von Ostsee, Mittelmeer, Schwarzem und Kaspischem Meer leben, dass
in den Ländern jenseits ihrer Küste unterschiedliche
Sprachen gesprochen, andere Kulturen gelebt, und fremde Traditionen
gepflegt werden. Es gibt andere Gesetze, Gepflogenheiten,
Verfahren.
Andererseits ist das Meer zwischen diesen oft sehr
unterschiedlichen Ländern durchaus gemeinsamer
„Nützling“ als Verkehrsweg, Rohstoffquelle,
Nahrungsmittellieferant, Energieträger, Quelle für
Medikamente, für technologischen Fortschritt, für
Tourismus, für Freizeitvergnügen.
Und zugleich ist es auch – und dabei erst recht gemeinsam-
„Schützling“: es muss in ökologischem
Gleichgewicht gehalten werden und dies trotz vielfältiger
belastender Einleitungen von Land. Das Meer muss für die
Menschen an seinen Küsten und für die Schifffahrt sicher
gemacht werden, es muss geschützt, gepflegt und bewahrt
werden.
Und spätestens dort sind wir beim Kern des Antrags der
Opposition, den es heute zu beraten gilt: Dass Meere verbinden, ist
mit politischem Willen verbunden und letztlich ist es ein langer
Weg, bis das verbindende Meer wirklich von allen
Anrainerländern so gesehen, so behandelt und so in Wert
gesetzt wird.
Bei der Ostsee ist das bereits ganz gut gelungen. Das sehen die
Koalitionsfraktionen so und das sieht offenbar auch die Opposition
so.
Was im vorliegenden Antrag beklagt wird, sind gewisse
Unverbindlichkeiten in dem, was politisch gemeinsam gewollt wird,
Unverbindlichkeiten im Blaubuch der EU-Kommission, bei der in
Aussicht stehenden Meeresstrategie-Richtlinie, Unverbindlichkeiten
im Baltic Sea Action Plan, der doch Beispiel geben soll für
die anderen großen Binnenmeere im europäischen Raum (bzw.
beim Kaspischen Meer als Energieweg nach Europa).
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihr Augenmerk auf
zwei Schwerpunkte dabei lenken:
Zum einen ist das die Unverbindlichkeit selbst. Angesichts
unterschiedlichster nationaler Gesetze und Zuständigkeiten
– gerade wir in Deutschland mit unserem Föderalismus
können ein Lied davon singen – ist eine gewisse
Unverbindlichkeit, ein gewisser Spielraum beim Vorschreiben der
Umsetzungen von gemeinsam politisch gewollten Zielen unbedingt
nötig. Wir sind es doch, die immer wieder auf
Subsidiarität pochen, die nationale Spielräume verlangen,
insbesondere doch dann, wenn wir das Verlangte bereits
übererfüllen und daher durch europäische Vorgaben
ein Absenken unserer Standards befürchten. Mich erinnert die
Forderung nach mehr Verbindlichkeit immer an den viel geforderten
Bürokratieabbau: All jene, die ihn besonders laut fordern,
sind doch die gleichen, die eine Regelung bis ins Letzte erwarten,
wenn wir Gesetze schaffen, die bewusst Spielräume für die
Umsetzung öffnen. Das ist hier genauso. Es liegt doch an uns,
wie wir die EU-Vorgaben in nationales Recht und in nationales
Handeln umsetzen, welche Verbindlichkeit wir ihnen geben!
„Ja, aber die anderen Länder, die nicht so bewusst
handeln, die müssen wir dazu bringen, dass sie durch
Verbindlichkeit gezwungen werden, ebenso zu tun“ – das
scheint hinter dieser Forderung nach Verbindlichkeit zu stecken.
Und genau da liegt - und das ist der zweite Punkt, den ich
beleuchten möchte - die Crux, wie wir schnell am Beispiel der
Ostsee und des Baltic Sea Action Plan erkennen können.
Denn was wurde in langen Jahren gemeinsamen und freiwilligen
Entwickelns, Diskutierens, Beratens in einem umfangreichen Netzwerk
der „Ostsee-Akteure“ alles geschaffen, bis es zu dem
heute Erreichten kam: es gibt den Ostseerat, in dem neben den
EU-Anrainerstaaten auch Russland, Norwegen und Island vertreten
sind und eine Reihe anderer Länder, darunter Frankreich, die
Ukraine und die USA Beobachterstatus haben. Regelmäßige
zielgerichtete gemeinsame Arbeit der hochrangigen und kompetenten
Vertreter führen zu Ergebnissen, die dann auch von allen
Ländern akzeptiert werden.
Besonders den Schutz der Meeresumwelt hat die Helsinki Kommission
zum Ziel, unterstützt wird die ganze Netzwerk-Arbeit durch
Abgeordnete der Nationalparlamente in der
Ostseeparlamentarierkonferenz und mit der sogenannten Politik der
Nördlichen Dimension, die durch die Europaparlamentarier
initiiert wurde.
Wir bringen uns in diesem Netzwerk ein: durch die Regierung, die
ihre Vertreter in gemeinsame Sitzungen und Konferenzen schickt,
durch die Treffen der Regierungschefs, der Außenminister, der
Fachminister, der Ressorts.
Und wir bringen uns auch direkt ein durch unsere Kollegen, die an
Parlamentarierkonferenzen teilnehmen, durch Anträge, die wir
im Deutschen Bundestag beraten und verabschieden.
„Nichts anderes wollen wir mit unserem Antrag!“ werden
nun die GRÜNEN sagen.
ABER: Die Absicht ist gut, die Liste all dessen, was
wünschenswert sein mag, ist umfangreich – aber sie kommt
schlicht deutlich zu spät. Anfang Juli letzten Jahres haben
die Koalitionsfraktionen einen Antrag recht ähnlichen Inhalts
verabschiedet, und zwar rechtzeitig vor der 16. Jahrestagung der
Ostseeparlamentarierkonferenz, die im August stattfand. Mir scheint
fast, verehrte Kollegen von den GRÜNEN, sie hätten ihren
Antrag als Protokoll der Ostseeparlamentarierkonferenz geschrieben
und alles aufgelistet, was dort diskutiert wurde. Insofern, liebe
grüne Kollegen, kommen Sie jetzt zu spät, sie werfen sich
– wie häufig – hinter den fahrenden Zug und
schreien ganz laut, dass er endlich abfahren soll.
Nein, dafür gibt es trotz vieler guter Inhalte kein Lob: Die
Politik, die Sie wollen, wird gemacht – durch die engagierte
Arbeit der Regierungsvertreter, die erst mit dafür gesorgt
haben, dass wir ein funktionierendes Ostsee-Netzwerk haben, dass
viele der Regelungen aus dem Baltic Sea Action Plan – den Sie
verbindlicher weiterentwickeln wollen – bereits durch
EU-Vorgaben für die Mitgliedstaaten verbindlich sind. Sie
wissen doch, dass MARPOL VI in Deutschland längst umgesetzt
ist, was wir alles tun für eine sichere Schifffahrt, für
ein kluges Notfallmanagement, was wir alles tun für die
Sauberhaltung der Meere, gegen das Einschleppen fremder Arten. Sie
kennen unsere Aktivitäten für die Luftreinhaltung durch
SECAs, durch das Voranbringen von landgestützter
Stromversorgung, den Einsatz für Destillate und die Einbindung
der Schifffahrt in den Emissionshandel.
Und: ganz wichtig - Russland ist mit ins Boot geholt worden durch
den BSAP – und so etwas schaffen wir nicht für das
Mittelmeer, das Schwarze und das Kaspische Meer durch einen
Beschluss im Deutschen Bundestag.
Das Ostsee-Netzwerk gibt Beispiel, der Ostseerat, in dem Beobachter
auch aus Nicht-Anrainerstaaten sind, gibt Beispiel für die
anderen Binnenmeere – und zwar ohne durch eine zu hohe
Verbindlichkeit gleich abzuschrecken.
Das Ostsee-Netzwerk ist Beispiel dafür, wie durch gemeinsames
politisches Wollen die verbindenden Meere von allen
Anrainerländern genutzt, aber auch geschützt und
gesichert werden können.
Und eben dieses gute Beispiel ist es, das wirken wird und das wir
auf EU-Ebene auch intensiv unterstützen können: wir
können und sollten die Anrainerstaaten des Mittelmeeres, des
Schwarzen und des Kaspischen Meeres motivieren, sich ein Beispiel
zu nehmen – sowohl am Ostsee-Netzwerk als auch an einem
selbstverständlich weiter zu entwickelnden BSAP, besser noch
an seiner konsequenten Umsetzung durch die Staaten rund um die
Ostsee.
Für einen Schaufenster-Beschluss des Bundestages, in dem die
Regierung aufgefordert wird so zu handeln wie sie es sowieso in
vorbildlicher Weise bereits tut, sind wir uns nicht nur zu schade,
wir sind auch überzeugt davon, dass wir den
Nationalparlamenten und Regierungen der anderen europäischen
und europanahen Binnenmeere so viel politischen Verstand zutrauen
können, dass auch sie sich auf den sicher beschwerlichen Weg
der entsprechenden meeresübergreifenden Kooperation machen
werden. Unser gutes Beispiel vor Augen, werden sie vieles von der
Zeit einsparen und auch einsparen müssen, die wir gebraucht
haben, so weit zu kommen, wie wir sind. Beispiel geben als Hilfe
zur Selbsthilfe – das ist es, was wir wollen. Und deshalb
werden wir den vorliegenden Antrag nach der erfolgten intensiver
Beratung im Fachausschuss jetzt ablehnen.
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