Plenarrede zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Seelotsgesetzes
|
05. Juni 2008 |
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben allen Grund zur Freude: Hamburg liegt weltweit in der Range der Häfen ganz oben in der Kundenzufriedenheit! Ein wesentlicher Grund dafür ist die ständige Verfügbarkeit der Lotsen in Deutschland! Nicht umsonst wird das Deutsche Lotswesen mit den in Brüderschaften organisierten Freiberuflern weltweit als mustergültig angesehen. Sehen wir uns doch einmal um in großen Häfen der Welt: In den amerikanischen Westhäfen gibt es leere Piers, die Schiffe liegen draußen auf Reede und warten darauf, in den Hafen gelotst zu werden. In China machen die Häfen bei Nebel zu, die Chinesen sind offenbar sehr vorsichtig… In Rotterdam und Singapur müssen die Schiffe sich zu einem ganz exakten Zeitpunkt anmelden, der Lotse ist dann auch meistens pünktlich da. Was aber passiert, wenn die Natur der Zeitkalkulation des Kapitäns einen Streich spielt? Was, wenn Windstärke 7 oder mehr das Schiff zu spät ankommen lässt? Dann ist der Lotse weg. Das Schiff muss neu angemeldet werden, hat einige Stunden Wartezeit und die wird teuer. Unser Lotswesen ist also vorbildlich und trägt zum guten Ruf der Häfen ganz entscheidend bei. Dass die vorhandenen Lotsen immer weniger werden – auch aus Altersgründen die üblichen Abgänge erfolgen – hat die Handelsschifffahrt bisher kaum bemerkt. Die Lotsen arbeiten rund um die Uhr, sind uneingeschränkt ständig verfügbar - - - und arbeiten, arbeiten, arbeiten. Die ständige Klage, dass es viel zu wenig nautischen Nachwuchs gibt, gilt natürlich auch für die Lotsen. Die Klage der Reeder, dass sie nicht in gewünschtem Maße zurückflaggen könnten, weil ihnen die Kapitäne fehlen, kennen wir alle. Aber auch dafür gibt es einen Grund: wenn jahrzehntelang viel zu wenig ausgebildet wurde, darf man sich über fehlenden Nachwuchs nicht beklagen – man muss, und das gilt für jede Branche, mindestens bedarfsgerecht ausbilden. Jetzt wird viel für die Ausbildung getan – frei nach dem Motto, wenn der Leidensdruck groß genug ist, wenn die Not am größten ist, dann wird auch etwas getan! Der Ausbildungsmangel trifft natürlich auch das Lotswesen, in diesem Fall ungerechtfertigt, denn die Lotsen durften bisher nicht (grund-)ausbilden. Bisher galt, dass ein voll ausgebildeter Kapitän, also einer, der sein Patent ausgefahren und in der Tasche hatte, noch zwei weitere Jahre Bordfahrzeit nachweisen musste, bevor er sich als Lotse bewerben durfte. Nun fehlt also überall der nautische Nachwuchs, die Not ist groß und wir wollen jetzt eine Änderung im Zugang zum Lotsenberuf erreichen: da liegt der Verdacht doch nahe, dass wir mal eben mit einem Federstrich die Qualität absenken? Nein, weit gefehlt! Aus der Not geboren heißt nicht, dass etwas schlechter sein muss: im Gegenteil – die Lotsen werben schon lange darum, dass sie selbst ausbilden dürfen. Die Fachwelt klagt schon seit Jahren über die praktisch nicht ausreichenden Regelungen des STCW 95. Die Mindeststandards, reichen in der Praxis schon längst nicht mehr aus, um die immer größeren, technisch immer komplizierter werdenden Schiffe sicher über die Meere und in die Häfen zu bringen. Selbst Reeder müssen ihre Leute immer wieder nachschulen. Was soll jetzt geschehen? Der Kapitän, der Lotse werden will, kann nach wie vor den alten Zugangsweg nutzen; nach einer zweijährigen Erfahrenszeit kann er sich als Lotse bewerben. So bleibt die Regelung auch im Seelotsgesetz bestehen. Aber daneben tritt eine Verordnungsermächtigung, dass auf Antrag einer Lotsenbrüderschaft die zwei Jahre Bordfahrzeit wegfallen dürfen und an diese Stelle eine sechsmonatige Grundausbildung in der entsprechenden Lotsenbrüderschaft tritt. In diesen sechs Monaten lernt der zukünftige Lotse das spezifische Shiphandling für all die verschiedenen Schiffe, die er später sicher durch das Revier bringen soll. Daran an schließt sich – wie bisher und auch wie weiterhin beim üblichen Zugang – die acht Monate dauernde Aspirantenausbildung, die die revierbezogenen theoretischen und praktischen Kenntnisse vermittelt, die mit einer Prüfung durch die Aufsichtsbehörde abschließt und den Lotsen bestallt – allerdings zunächst mit einer vierjährigen Erfahrenszeit im Lotsrevier mit Größenbeschränkungen: der neue Lotse muss Erfahrung sammeln mit stets größer werdenden Schiffen und er muss sich begleitend fortbilden. Diese umfangreiche Ausbildung, die von den Brüderschaften organisiert und durchgeführt wird, sichert die Zuverlässigkeit der Erreichbarkeit unserer Häfen! Die Lotsen selbst tun also am meisten für die Attraktivität ihres Berufes. Dafür gilt ihnen unser Dank, Respekt und Anerkennung! Sie sichern den guten Ruf unserer Häfen! Und sie erhöhen die Attraktivität ihres Berufes massiv durch die ständige Fortbildung, die bei ihnen gefordert ist: Denn sie sind es, die heute und zukünftig auch die Mega-Carrier sicher in unsere Häfen bringen. Und das ist jetzt ein Punkt, an dem ich mich ausdrücklich an unseren Finanzminister und unsere Haushälter wende: Es leuchtet sicher ein, dass der Boom in den Häfen ein starker Flügel der guten Konjunktur ist. Aber: Wer große Schiffe in seine Häfen lassen möchte, muss wissen, dass die Mega-Carrier mit ihren modernen Motoren, mit der Auflage, schwefelarmen Diesel zu benutzen, nicht langsamer als 12,5 kn fahren können! Und diese Riesenteile können auch nicht mehr Lee machen! Erklärung für Landratten: „Lee machen“ heißt, das Schiff so in den Wind zu drehen, dass der Lotse auf der windabgewandten Seite möglichst sicher an Bord kommt. Nein, das geht mit den Riesenschiffen nicht mehr. Der Lotse muss bei 12,5 kn Fahrt übersteigen, womöglich noch über eine im Wind schlackernde Lotsenleiter… Das ist gefährlich und hier haben wir eine hohe Verantwortung für die Sicherheit des Lotsen, der seinerseits dafür sorgt, dass die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs auf den Revieren garantiert ist. Das heißt also, dass wir unabdingbar ausreichend viele, moderne Versetzboote brauchen, mit denen der Lotse längsseits der schnell fahrenden Schiffe gehen und trotz der hohen Geschwindigkeit einigermaßen sicher übersteigen kann. Jeden der das bezweifelt, lade ich herzlich ein, einmal einen Lotsen bei seinem Dienst zu begleiten: ständige Rufbereitschaft, mitten in der Nacht raus, bei Wind und Wetter rauf aufs Schiff, 12 bis 15 Stunden konzentrierte Fahrt und dann gibt es vielleicht 8 Stunden Ruhe bis zum nächsten Einsatz: Es wird höchste Zeit, dass wir wieder ausreichend Lotsen bekommen, und d. h.: Alternativen schaffen für den Zugang zum Lotsenberuf. Die anstehende Änderung erhöht die Qualifikation des jungen Lotsen und beschleunigt den Zugang zum Beruf. Abschließend bleibt mir nur, an junge Leute zu appellieren: werdet Nautiker, fahrt zur See, besteht darauf, unter deutscher Flagge zu fahren oder zieht die Konsequenzen, wenn ein Reeder euch das nicht garantiert und werdet Lotse! Das geht zukünftig sofort nach Erhalt des Kapitänspatents und das ist gut so! |