Stärkere Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags umstritten
Die geplante Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages auf
3,3 Prozent könnte zu einem Plus von bis zu 150.000 neuen
Arbeitsplätzen führen. Bei gleichbleibenden
Rahmenbedingungen sei dies aus Sicht der Forschungsinstitute
möglich, sagte der Abteilungsleiter Arbeitsmarkt der
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA),
Jürgen Wuttke, am Dienstag, dem 13. November
2007, in einer Anhörung des Arbeitsausschusses. Allerdings
könne dies nicht garantiert werden.
Liquiditätshilfen des Bundes
Dagegen warnte der Experte von der Bundesagentur für Arbeit
(BA), Stephan Heuke, die mit der Beitragssenkung
verbundenen Mindereinnahmen bei der BA könnten bei einer
Rezession darauf hinauslaufen, "dass wir Liquiditätshilfen des
Bundes am Ende dieses Zyklus bis 2011 in Anspruch nehmen
müssen".
Koalitionsspitzen wollen Senkung auf 3,3 Prozent
Sein Kollege Sven Schütt,
Zentralbereichsleiter der BA, bezifferte die gesamten
Einnahmeverluste der Beitragssenkung auf eine Höhe von 4,8
Milliarden Euro. Laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Änderung des Dritten Sozialgesetzbuches (
16/6741) soll der
Arbeitslosenversicherungsbeitrag zum 1. Januar 2008 von 4,2 auf 3,9
Prozent sinken. Die Koalitionsspitzen haben sich jedoch inzwischen
zur Senkung auf 3,3 Prozent entschieden.
"3,3 Prozent führt die BA direkt in die roten Zahlen"
Auch der Leiter des Bereichs Arbeitsmarktpolitik beim DGB-Bundesvorstand, Wilhelm Adamy, beurteilte die vorgesehene Reduzierung zurückhaltend. Er sagte: "3,3 Prozent führt die BA direkt in die roten Zahlen". Er setzte sich dafür ein, von einer dauerhaften Absenkung auf 3,3 Prozent abzusehen.
Dagegen hob Wuttke hervor, der verabredete
Schritt sei "sehr zu begrüßen". Erstmals sänken
damit die Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40
Prozent.
Sachverständige beurteilen Eingliederungsbeitrag kritisch
Vorrangig kritisch beurteilten die Sachverständigen die mit
dem Gesetzentwurf verbundenen Pläne zur Einführung eines
so genannten Eingliederungsbeitrages, der von 2008 an den
bisherigen Aussteuerungsbetrag ersetzen soll. Mit dem neuen
Eingliederungsbeitrag soll sich die BA zur Hälfte an den
Aufwendungen des Bundes für Eingliederungsleistungen und
Verwaltungskosten im Bereich des Arbeitslosengeldes II beteiligen.
Dies führt nach Angaben der Bundesregierung im kommenden Jahr
zu einer Nettoentlastung des Bundes und einer entsprechenden
Mehrbelastung der BA in Höhe von rund 3 Milliarden
Euro.
"Sozialbeiträge zweckentfremdet für das Fürsorgesystem"
DGB-Experte Adamy bemängelte, mit dem Eingliederungsbeitrag würden "Sozialbeiträge zweckentfremdet für das Fürsorgesystem" Hartz IV. Dies sei ökonomisch und verteilungspolitisch falsch sowie verfassungsrechtlich bedenklich. Der BDA-Experte Wuttke schloss sich dieser Einschätzung an.
Liste der Sachverständigen
- Deutscher Gewerkschaftsbund, DGB
- Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA
- Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände
- Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Deutscher Verein
- Bundesleitung des dbb Beamtenbundes und Tarifunion, DBB
- Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, IAB
- Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e. V., BBB
- Bundesagentur für Arbeit, BA
- Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e. V., KBI
- Dr. Alexandra Wagner, Berlin
- Prof. Dr. Friedhelm Hase, Siegen
Weitere Informationen
Bundestagsdrucksachen zum Thema
- Gesetzentwurf der Bundesregierung: Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksache 16/6741)
- Antrag der FDP-Fraktion: Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit an Beitragszahler zurückgeben - Beitragssenkungspotentiale nutzen (Drucksache 16/6434)
- Antrag der Fraktion DIE LINKE.: Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit, für mehr Qualifizierung und eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verwenden Drucksache (16/6035)