Fromm: Kurnaz galt als Sicherheitsrisiko
Berlin: (hib/KOS) Für Heinz Fromm ging vom einstigen Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz, der vor seiner Verhaftung in Pakistan im Herbst 2001 in Bremen in eine "islamistische Struktur" eingebunden gewesen sei, in jener Zeit eine "potenzielle Gefährdung" aus. Diese Einschätzung, so der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss, sei auch nicht durch das Verhör des in der Hansestadt aufgewachsenen Türken revidiert worden, das zwei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und ein BfV-Vertreter im Herbst 2002 in dem US-Gefangenenlager auf Kuba vornahmen. Der Zeuge verteidigte die Einstufung von Kurnaz als Sicherheitsrisiko durch die Geheimdienstspitzen, die im Oktober 2002 zu einer gegen den jungen Mann verhängten Einreisesperre für den Fall einer Freilassung führte. Kurnaz konnte erst im August 2006 aufgrund einer Intervention von Kanzlerin Angela Merkel bei US-Präsident George W. Bush nach Bremen zurückkehren.
Die Abgeordneten Hellmut Königshaus (FDP), Wolfgang Neskovic (Linkspartei) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) konfrontierten Fromm mit Widersprüchen, die sich aus Sicht der Opposition bei der Bewertung der Gefährlichkeit von Kurnaz durch das BfV aufgetan haben. So soll, wie die drei Parlamentarier erläuterten, der bei der Vernehmung in Guantanamo beteiligte BfV-Mitarbeiter "Dr. K." Mitte Oktober 2002 bei einem Bericht im Bremer Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) geäußert haben, gegen den Türken habe man nichts in der Hand, weshalb er bald freikommen werde. Als Beleg zitierten die Oppositionsvertreter Aussagen von LfV-Mitarbeitern vor dem Ausschuss, wonach aus den damaligen Schilderungen von "Dr. K." über das Verhör in Guantanamo dieser Schluss zu ziehen gewesen sei. Zu dieser Diskrepanz erklärte Fromm, er habe von den Ausführungen des BfV-Vertreters bei dem Treffen in Bremen keine Kenntnis: "Ich weiß nicht, ob das zutrifft, was die Bremer Zeugen vor dem Ausschuss zum Besten gegeben haben."
Königshaus verwies zudem auf einen schriftlichen Vermerk des BfV-Vernehmers, wonach nur noch Details zu klären seien, um letzte Zweifel an den Aussagen von Kurnaz während des Verhörs auszuräumen. Thomas Oppermann hingegen insistierte, dass "Dr. K." Vorbehalte gegenüber der Einschätzung der an der Befragung auf Guantanamo beteiligten beiden BND-Mitarbeiter geltend gemacht habe, dass von dem Bremer Türken "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" keine Gefährdung ausgehe. Nach Auffassung des SPD-Obmanns lagen 2002 zahlreiche Erkenntnisse vor, die es rechtfertigten, Kurnaz als Sicherheitsrisiko einzuordnen und ihn im Falle einer Freilassung nicht nach Deutschland, sondern in die Türkei ausreisen zu lassen.
Aus Sicht von Wolfgang Neskovic musste Kurnaz über vier Jahre in Guantanamo bleiben, weil ihn damals weder Berlin noch Ankara aufnehmen wollten. Der Liberale Max Stadler bezeichnete es als "bedrückend", das eine so gravierende Entscheidung wie die Einreisesperre getroffen worden sei, obwohl bei der Klärung der Ungefährlichkeit von Kurnaz nur noch letzte Details offen gewesen seien: "Da ist ein Mensch in eine Maschinerie geraten." Hans-Christian Ströbele äußerte den Verdacht, dass die Geheimdienstspitzen vor fünf Jahren den Türken gar nicht als Sicherheitsrisiko eingestuft hätten: Dies werde inzwischen so dargestellt, um das Einreiseverbot von 2002 nachträglich zu rechtfertigen, das seinerzeit aus Furcht von einem "Medien-Hype" bei der Rückkehr von Kurnaz beschlossen worden sei. Kritik an der Opposition übte die CDU-Abgeordnete Kristina Köhler: Die von der Opposition behaupteten Widersprüche in der Bewertung der von dem Türken ausgehenden Gefährdung durch das BfV hätten "sich in Luft aufgelöst".
Nach der Befragung Fromms wollte der Ausschuss in geheimer Sitzung einen der beiden BND-Mitarbeiter vernehmen, die im Herbst 2002 zu dem Verhör von Kurnaz nach Guantanamo gereist waren. Deren Einschätzung, dass der Türke kein Sicherheitsrisiko darstelle, hatte der damalige BND-Präsident und heutige Innen-Staatssekretär August Hanning bei seinem Zeugenauftritt vor den Abgeordneten als "mangelhaft" und "grob fehlerhaft" bezeichnet.
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