Gegensätzliche Meinungen zum Konjunkturprogramm II
Berlin: (hib/HLE) Mehrere Sachverständige haben in einer Anhörung des Haushaltsausschusses zum zweiten Konjunkturpaket der Koalition ( 16/11740) am Montagmorgen die vorgesehenen Maßnahmen als zu gering oder als konjunkturell wirkungslos kritisiert. Vereinzelt wurde auch Kritik an der mit dem Paket verbundenen starken Erhöhung der staatlichen Kreditnachfrage laut.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, begrüßte es, "dass dieses Konjunkturprogramm gemacht wird" und bezeichnete es als richtigen Schritt in die richtige Richtung. "Wir hätten uns ein größeres und schnelleres Programm gewünscht", sagte Sommer jedoch auch. Die Wirkung der Abwrackprämie zeige, was schnelle Maßnahmen bringen könnten. Zur Stärkung der Konjunktur müsse ein Programm mit dem doppelten Volumen aufgelegt werden. In der Stellungnahme des DGB heißt es weiter, Wirkungen für Wachstum und Beschäftigung seien von den geplanten Steuersenkungen nicht zu erwarten. Erfahrungen in den USA und Großbritannien hätten gezeigt, dass Steuersenkungen konjunkturpolitisch immer ineffizienter seien als höhere Staatsausgaben. Um die chronische Einkommens- und Konsumschwäche der deutschen Haushalte zu mindern, sei eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze und die Einführung von Mindestlöhnen dringend erforderlich.
Auch Heiner Flassbeck von der Welthandelskonferenz (UNCTAD) bezeichnete das Volumen des Programms als viel zu klein. Ein Rückgang des Wirtschaftswachstums um 3,5 bis 4 Prozent sei nicht ausgeschlossen. Die Bundesregierung geht bisher von einem Minus von 2,25 Prozent aus. Zudem sei die Wirkung zeitlich zu kurz. Man gerate in ein deflationäres Szenario, wenn nicht gegengesteuert werde, sagte Flassbeck.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßte die vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur. Der kommunale Investitionsbereich sei in den vergangenen Jahren beinahe zusammengebrochen. Es sei vernünftig, jetzt neue Programme aufzulegen und auch das Geld zum größten Teil in den Bildungsbereich zu stecken. Allerdings warnte die Bundesvereinigung vor allzu bürokratischen Regelungen.
Alfred Boss (Institut für Weltwirtschaft) forderte, die Staatsausgaben und Subventionen zu kürzen. Die Subventionen und Finanzhilfen hätten sich 2007 auf 140 Milliarden Euro belaufen. Die Schuldenbremse müsse möglichst rasch eingeführt werden und nicht erst 2020. Boss sagte, er erwarte Preissteigerungen in der Baubranche. Die vorgesehenen Steuersenkungen würden lediglich einen Verzicht auf die tariflich bedingten Steuererhöhungen bedeuten. Boss bezeichnete die konjunkturellen Effekte der einmaligen zusätzlichen Kindergeldzahlung als gering. Die Schulden jedes Bundesbürgers würden dadurch aber um 20 Euro steigen.
Gerd Rosenkranz (Deutsche Umwelthilfe) kritisierte, dass die Klimakrise nicht Ausgangspunkt des Programms sei. Steuersenkungen bezeichnete Rosenkranz als strukturkonservativ, weil sie für strukturverändernde Maßnahmen nicht mehr ausgegeben werden könnten.
Aus europäischer Sicht handele es sich um ein respektables Programm, erklärte Klaus Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Es werde aber keinen wesentlichen Beitrag liefern, die Krise in Deutschland einzudämmen. Maßnahmen wie die Abwrackprämie seien ein reines Strohfeuer. Die langfristige Wirkung der Verschuldung könne jedoch dramatische Wirkungen haben. Die Bürger würden dem Staat irgendwann kein Geld mehr leihen wollen, wenn die Preise steigen würden. Dann habe man den Beginn einer neuen Krise. Zimmermann geht auch davon aus, dass die Baubranche aus Kapazitätsgründen nicht in der Lage sein wird, in größerem Umfang neue Maßnahmen durchzuführen, die mit dem Konjunkturprogramm finanziert werden sollen.
Herausgeber
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Saskia Leuenberger
Redaktionsmitglieder: Dr. Bernard Bode, Claudia Heine, Sandra
Ketterer, Michael Klein, Hans-Jürgen Leersch, Steffi
Menzenbach, Johanna Metz, Annette Sach, Alexander Weinlein
Haben Sie inhaltliche Fragen?
Inhaltliche Fragen richten Sie bitte an die Initiatoren (Fraktionen, Bundesregierung) der jeweiligen parlamentarischen Vorlage. Die Telefonnummer finden Sie auf den entsprechenden Web-Seiten.