Umweltausschuss informiert sich in der Ukraine
Anlässlich des anstehenden 20. Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe vom 26. April 1986 hat eine Delegation des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages vom 9. bis 13. April 2006 eine Reise in die Ukraine und nach Weißrussland durchgeführt.
Die Abgeordneten Eva Bulling-Schröter (Delegationsleiterin, DIE LINKE.), Angelika Brunkhorst (FDP), Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Detlef Müller (Chemnitz, SPD) verschafften sich in Gesprächen mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft sowie in einer Führung durch das ukrainische Sperrgebiet, das Atomkraftwerk in Tschernobyl und durch eine Inaugenscheinnahme des Sarkophags einen Eindruck von der Wirklichkeit.
Die Delegationsleiterin Bulling-Schröter erklärt dazu: „Auch 20 Jahre nach dem Unglück treffen die sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Folgen weiterhin Millionen von Menschen. Die genaue Zahl der Opfer lässt sich nicht verlässlich beziffern. Das amtliche Zahlenmaterial umfasst längst nicht alle mittel- und unmittelbaren Opfer. Unstreitig ist, dass zum Zeitpunkt des Unfalls in den kontaminierten Territorien rund 7 Millionen Menschen lebten, davon 3 Millionen Kinder. Unstreitig ist auch, dass durch die Reaktorexplosion in Tschernobyl hundertmal mehr Radioaktivität freigesetzt wurde als bei den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass z. B. der Minister für Brennstoff und Energie der Ukraine, Platschkow, erklärt, der Betrieb bestehender Atomkraftwerke in der Ukraine solle verlängert und weitere Atomkraftwerke müssten errichtet werden. Es werde angestrebt, die Atomkraftwerke zu 100 Prozent mit eigenem Uran zu betreiben. Das zweifelhafte Argument der Staatsführung, Kernenergie sei wirtschaftlicher als die Förderung erneuerbarer Energien, ist fest im Bewusstsein der Menschen verankert. Um erneuerbaren Energien in der Ukraine zum Durchbruch zu verhelfen, bedarf es umfangreicher Aufklärungsarbeit. Diese hat auf dem Gebiet der Energieeffizienz jedenfalls schon gefruchtet. Das ukrainische Energieministerium hat diese Sparte als eigenen Wirtschaftszweig erkannt und möchte von den deutschen Erfahrungen profitieren.
In Weißrussland standen Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen im Vordergrund. Ein wichtiger Schritt zur Linderung der Tschernobylfolgen wurde mit der so genannten CORE-Erklärung (Cooperation for Rehabilitation) getan. Zusammen mit dem Tschernobyl-Komitee der Regierung von Belarus, den Vereinten Nationen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ist ein neues, längst überfälliges Koordinierungsinstrument geschaffen worden. Erstmals wird die Ebene der internationalen Organisationen und Regierungen mit nichtstaatlichen Gruppierungen bis hin zur privaten Kleininitiative vernetzt. Die erwünschten konkreten Ergebnisse für die von der Reaktorkatastrophe betroffenen Menschen in Belarus treten jedoch nur langsam ein. Hauptgrund hierfür ist, dass das Genehmigungsverfahren hinsichtlich konkreter Projekte äußerst langwierig ist. Nach derzeitigem Stand wurden 105 Projekte akzeptiert, 50 davon haben Sponsoren gefunden. Der Vorsitzende des Tschernobyl-Komitees, Wladimir Zalko, erklärte, die Gesamtschadenssumme der Katastrophe belaufe sich nach Schätzungen der Weltbank auf 235 Milliarden Dollar. Die Parlamentarier in Weißrussland seien der Auffassung, dass diese Zahl noch immer nicht das realistische Schadensausmaß wider spiegele.
Die Bewältigung der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe bleibt auch nach dem 20. Jahrestag eine ernstzunehmende Aufgabe, der man sich auch in Zukunft mit Engagement stellen muss.“
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