Ramsauer rechnet nicht mit größerer
Kabinettsumbildung - "Für die letzten zwölf Monate auch
nicht sinnvoll"
Interview für "DAS PARLAMENT"
Vorabmeldung zu einem Interview in der
nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 13. Oktober
2008)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen
Veröffentlichung –
CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer geht nicht von einer größeren Kabinettsumbildung aus, wenn der derzeitige Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) nach München wechselt, um dort das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten zu übernehmen. Auf eine entsprechende Frage sagte Ramsauer in einem Interview mit der Wochenzeitung DAS PARLAMENT (Erscheinungstag 13. Oktober 2008): „Das glaube ich nicht. Für die letzten zwölf Monate dieser Legislaturperiode ist eine größere Kabinettsumbildung auch nicht sinnvoll.“ Ramsauer erwartet, dass Seehofer von der neuen Koalition im Bayerischen Landtag gewählt wird. Zu den zahlreichen Gegenstimmen und ungültigen Stimmen bei der Nominierung Seehofers durch die CSU-Landtagsfraktion sagte Ramsauer: „Auch die CSU-Landtagsfraktion muss sich nach dem schwierigen Wahlergebnis sammeln. Ein Ergebnis von 100 Prozent wäre nicht ehrlich gewesen.“
Interview mit Peter Ramsauer im Wortlaut:
Horst Seehofer geht als Ministerpräsident und CSU-Chef nach München. Wird die CSU in Berlin dadurch geschwächt?
Nein. Dass sich in einer Partei nach einem solchen Wahlergebnis Änderungen ergeben, ist nicht nur normal, sondern erforderlich. Die CSU hat immer aus einer Gemeinschaftsleistung ihrer vier Ebenen gelebt. Das sind Kommunen, Land, Bund und Europa. Wenn hier ein Wechsel von der Bundes- auf die Landesebene erfolgt, verkraftet die CSU das. Wir haben ein hervorragendes Personaltableau in Berlin. Mir ist um die Rolle der CSU in Berlin auch in Zukunft nicht bange.
Aber was ist in der Landtagsfraktion in München los? Seehofer bekam zehn Gegenstimmen, und sechs Stimmen waren bei der Nominierung ungültig. Ein Vertrauensbeweis sieht anders aus.
Auch die CSU-Landtagsfraktion muss sich nach dem schwierigen Wahlergebnis sammeln. Ein Ergebnis von 100 Prozent wäre nicht ehrlich gewesen.
Wer ist ihr Lieblings-Koalitionspartner in Bayern?
Dazu werde ich mich als CSU-Landesgruppenvorsitzender nicht öffentlich äußern. Ich halte den Kurs für vernünftig und richtig, nicht nur mit der FDP, sondern in aller Offenheit auch mit den Freien Wählern zu verhandeln. Bei den Freien Wählern sind die bürgerlichen Grundwerte mindestens im gleichen Maße vorhanden wie bei der FDP.
Jetzt haben Sie aber die Grünen nicht erwähnt?
Die Grünen zähle ich nicht grundsätzlich zum bürgerlichen Lager. Die Gesamtzusammensetzung der Grünen gerade in Bayern zeigt, dass sie keine verantwortbare Alternative für einen Koalitionspartner im Vergleich zu FDP oder Freien Wählern sind.
Seehofer hat einen neuen Politik-Stil angekündigt. Wird die CSU jetzt härter, rechter und patriotischer?
Seehofer hat immer schon einen anderen, einen sehr erfrischenden Politik-Stil gepflegt, der von vielen manchmal lobend, manchmal auch ängstlich, als unkonventionell bezeichnet worden ist. Ich bin darüber sehr froh, denn ich identifiziere mich mit dem Politik-Stil von Horst Seehofer. Allein schon wegen der Kongenialität zwischen Horst Seehofer und mir werden die Friktionen, die bisweilen zwischen München und Berlin aufgetreten sind, nicht mehr vorkommen.
Und was ist mit grundsätzlichen Positionen? Muss die CSU rechter werden?
Das ist keine Frage von rechts oder links. Es geht um das große bürgerliche Lager, das in Bayern über 60 Prozent ausmacht. Es geht um die Frage, wo sich dieses bürgerliche Lager am besten aufgehoben fühlt, übrigens nicht nur in Bayern, sondern auch außerhalb. Es geht darum, wie bürgerliche Politik, Politik für Eigentum, für Liberalität, für Eigenverantwortung, für einen gesunden Patriotismus, für die Wahrung deutscher Interessen in der Welt und einen gesunden Konservativismus am besten organisiert und zum Ausdruck gebracht werden kann. Das alles macht die Volkspartei CSU aus. Mit Horst Seehofer an Spitze wird es gelingen, das bürgerliche Lager wieder weitgehend zur CSU zurückzuholen.
Eine Forsa-Umfrage sieht einen deutlichen Abwärtstrend für die gesamte Union, also auch für die CDU. Braucht die CDU ebenfalls einen anderen Politik-Stil?
Diese Umfrage ist ein einmaliger Ausreißer. Da muss man zwar mit hochgezogenen Augenbrauen hinschauen. Ein Alarmsignal sieht anders aus. Aber wir müssen natürlich die Belange unserer Wähler ernst nehmen. Bei den Verhandlungen über die Erbschaftsteuer etwa steht ausgesprochen viel auf dem Spiel. Es gibt Forderungen, die Erbschaftsteuerreform wegen der aktuellen Finanzmarktkrise schnell zu verabschieden. Dazu kann ich nur feststellen: Die Krise wird wieder gehen, aber die Belange des Eigentums und die Erbschaftsteuer sind eine Angelegenheit von Dauer. Daher unsere harte Haltung.
Wer ist denn Ihr Lieblings-Kandidat für das Amt des Landwirtschaftsministers in Berlin?
Erst wird Horst Seehofer zum Ministerpräsidenten gewählt. Und dann entscheiden wir die Personalfragen, die davon abzuleiten sind.
Könnte es vielleicht eine größere Kabinettsumbildung geben als nur einen Ersatz für Seehofer?
Das glaube ich nicht. Für die letzten zwölf Monate dieser Legislaturperiode ist eine größere Kabinettsumbildung auch nicht sinnvoll.
Teile der CDU rütteln am Fraktionsvertrag mit der CSU und wollen die Sonderrechte der Bayern beschränken. Was sagt der CSU-Landesgruppenvorsitzende der CSU dazu?
Dieser Teil bestand aus zwei Kollegen, die inzwischen von ihren eigenen Kollegen zurechtgewiesen wurden.
In dieser Woche ist die Abstimmung über die Verlängerung und Erweiterung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr. Bleibt die CSU-Landesgruppe koalitionstreu?
Koalitionstreue ist das eine, die Zustimmung zur Verlängerung des Afghanistan-Mandates ist das andere. Aber wir werden dieser Verlängerung zustimmen.
Warum?
Afghanistan war nicht der einzige Auslandseinsatz der Bundeswehr und wird nicht der letzte Einsatz der Bundeswehr sein. Deshalb müssen wir uns immer des Rückhalts in der deutschen Öffentlichkeit für diese Einsätze vergewissern. Das bedeutet, dass bei jeder Entscheidung – auch bei einem Mandat wie Afghanistan - ganz genau geprüft werden muss, ob wir auf dem richtigen Weg sind, und ob wir die Entscheidung für ein Mandat gegenüber unseren Soldaten und der deutschen Öffentlichkeit verantworten können. Um die öffentliche Unterstützung zu gewährleisten, muss erkennbar sein, wo der Weg hingehen wird. Niemand in der deutschen Politik wird dafür plädieren, auf immer und ewig mit Soldaten in Afghanistan bleiben zu wollen. Es könnte im Land selbst auch der Eindruck entstehen, die Deutschen seien Besatzer statt Freunde und Helfer. Deshalb muss klar sein: Der Einsatz muss eines Tages zu Ende gehen.
Wann wird das sein?
Der Einsatz kann zu Ende gehen, sobald Afghanistan eine sich selbst tragende Sicherheit erzeugen kann.
Deutschland und die Welt werden von einer Finanzkrise erschüttert. Reichen die Bürgschaften für die Banken und die Sparbuchgarantie der Regierung aus oder erwarten Sie weitere Risiken, die noch gedeckt werden müssen?
Es geht doch nicht allein um Euro und Cent, sondern vor allem um Vertrauen. Durch die Patronatserklärung der Kanzlerin im Hinblick auf die Sparguthaben und die Bürgschaft, die für die Hypo Real Estate ausgesprochen wurde, ist wieder Vertrauen hergestellt worden. Und dieses Vertrauen für den Liquiditätsfluss ist besonders wichtig. Das ist wie die Wiederbelebung des Blutkreislaufs eines Organismus. Es ist doch nicht so, dass kein Geld und keine Liquidität vorhanden wären. Das Geld muss weltweit zirkulieren können. Mit der Garantie ist eine wichtige Voraussetzung geschaffen worden, damit der Geldfluss wieder in Gang kommt.
Müssen Manager von Instituten wie IKB und Hypo Real Estate, die so viel Geld verbrannt haben, ins Gefängnis?
Wir haben heute schon Regeln zur Managerhaftung bis hin zu allen strafrechtlichen Konsequenzen. Dafür gab es in der Vergangenheit schon Beispiele. Aber eines ist den Bürgern in Deutschland nicht klar zu machen: Gewinne gerade bei Banken in schwindelerregender Milliarden-Höhe werden individualisiert, aber die Verluste dann sozialisiert.
Sind die Managergehälter zu hoch?
Wir haben in der großen Koalition eine Arbeitsgruppe zum Thema Managergehälter eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe soll für mehr Transparenz sorgen und klären, welche Konsequenzen Manager tragen müssen, die unverantwortliche Geschäfte machen. Wenn wir schon so ungewöhnliche Schritte machen müssen wie Staatsgarantien abzugeben, dann darf man die Verantwortlichen nicht einfach laufen lassen.
Muss der Autoindustrie auch geholfen werden?
Da sage ich ein klares Nein.
Das Interview führten Hans-Jürgen Leersch und Nicole Tepasse.
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