Berlin braucht ein Gedenkstättenkonzept zur Erinnerung an die Teilung
Berlin: (hib/BES) Die Berliner Gedenkstätten zur Erinnerung an die deutsche Teilung brauchen einen "Professionalisierungsschub", um "durch eine Kombination von wissenschaftlicher Forschung und museumspädagogischer Betreuung die gegenwärtige Amateurhaftigkeit mancher Angebote zu überwinden" schreibt Professor Konrad H. Jarausch vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam in einer schriftlichen Stellungnahme zu einer öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses, die um 16:30 Uhr beginnt. Das Gremium diskutiert mit Experten über die Konzeptionen des Gedenkens an die deutsche Teilung und Wiedervereinigung in Berlin. Zur Debatte stehen ein Gruppenantrag "Gelände um das Brandenburger Tor als Ort des Erinnerns an die Berliner Mauer, des Gedenkens an ihre Opfer und der Freude über die Überwindung der deutschen Teilung" ( 15/4795) und ein Unionsantrag "Mauer-Mahnmal in Marie-Elisabeth-Lüders-Haus aufwerten" ( 15/4719). In ihren Stellungnahmen betonen alle geladenen Sachverständigen die Notwendigkeit eines Gesamtkonzepts für die Berliner Gedenkstätten und plädieren auch für die stärkere Förderung der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße. Positiv bewerten die Experten das Gedenkkonzept "Berliner Mauer" des Berliner Kultursenators Thomas Flierl (PDS). Als Trägerschaft für eine Gedenkstättenkonzeption schlagen die Sachverständigen eine Stiftung vor.
In seinem Statement lobt Jarausch die Bürgerinitiativen, die eine vielfältige Gedenklandschaft geschaffen und wichtige Arbeit geleistet hätten. Er plädiert aber auch für eine "Entprovinzialisierung" der Diskussion: Da die Mauer nicht nur die Stadt Berlin, sondern Deutschland und Europa geteilt habe, müsse eine attraktive internationale Lösung gefunden werden. Jarauch setzt sich in diesem Kontext für die Einrichtung eines Museums des Kalten Krieges in Europa in unmittelbarer Nähe des Hauses Checkpoint Charlie, das selbst ein Relikt des Kalten Krieges sei und sich wegen seiner privaten Trägerschaft gegen die Einordnung in ein Gesamtkonzept sperre. Die Forderung des Gruppenantrags, auf dem Gelände um das Brandenburger Tor einen Informationsstätte einzurichten, bewertet Jarausch positiv. Allerdings solle sie eher einen hinweisenden Charakter haben. Ähnlich bewertet dies Professor Hermann Schäfer vom Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das Brandenburger Tor und der Pariser Platz seien nicht geeignet für eine große Gedenkstätte oder als zentrale Orte der Information. Tafeln und Wegweiser, die auf die anderen Orte und auf eine vernetzte, dezentrale Präsentation hinweisen, seien "äußerst sinnvoll". In das Konzept sollte der neue Bahnhof am Pariser Platz einbezogen werden, so Jarausch. Dort könnten großflächige Wandbilder aus verschiedenen Epochen des Brandenburger Tores angebracht werden. Ähnlich sieht das Marianne Birthler, Beauftragte für die Unterlagen des Staatssihierheitsdinestes der ehemaligen DDR. Für die Einbeziehung des Bahnhofsbereichs in das Gedenkstättenkonzept spricht sich auch Professor Manfred Wilke vom Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin aus. Das Bahnhofsgelände böte eine Chance zur Einrichtung eines Zentrums, um über den vorgesehenen Berliner Mauerweg und die zentrale Gedenkstätte Bernauer Straße zu informieren.
Die Initiative der Union zum Mauer-Mahnmals im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MEL) in Berlin stößt auf unterschiedliches Echo: Für Jarausch sollte der Ort - wie im Antrag gefordert - öffentlich zugänglich sein und ein klares Aufgabenprofil erhalten. Schäfer erachtet die Einbeziehung des MEL in das Konzept "für nicht prioritär". Eine Öffnung für die Allgemeinheit sei angesichts der Sicherheitsanforderungen in den Bundestagsgebäuden nicht sehr effizient. Wilke bejaht die Unionsinitative, der Opfer der deutschen Teilung an der innerdeutschen Grenze in einem wissenschaftlich fundierten Totenbuch im MEL zu gedenken. Für Birthler ist der Antrag "sehr schlüssig". Stärkere Beachtung - so Birthler - müssten die "außerordentlich wichtigen Aspekte" der Freiheit oder Unfreiheit sowie die Frage der politisch Verantwortlichen, der Täter, finden. Die Verantwortlichen dürften "bei aller notwendigen Hinwendung zu den Opfern des Mauerregimes nicht im Hindergrund verschwinden". Nach Birthler gibt es in Berlin keineswegs einen Mangel an Zeichen und Hinwesen, es fehle vielmehr an einer Orientierungshilfe. Dies sollte im Gesamtkonzept berücksichtigt werden.
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